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Personal-Chronik der
Univ.-K.-Ztg. —
Kirchliche Zustände auf der Insel Island. 8. Moralität. —
Kirchliche
Nachrichten. Australien. Tonga-Inseln; Feindseligkeiten gegen die Christen. — Westindien, Insel Martinique. Fort Royal; Schreiben des Bischofs von Bagnorea nach Italien. S. Pierre; Schreiben des bischöfl. Sekretärs. Jamaika; Nachrichten. S. Kitts; Herrnhuthermission. Barbados; Kirchlichkeit. — Afrika. Kafferei; Methodisten-Mission. — Rußland. Von der Moloschna; Menoniten-Kolonie — England. London; Todesfälle etc.; über die Kirchensteuer; Bristol; desgl. Beide Sizilien. Neapel; Kirchlichkeit der k. Familie etc. — Deutschland. Oesterreich. Wien; Wirksamkeit des Vereins zur Verbreitung guter Bücher; statist. Notizen; Laibach; Ankunft des amer. Miss. Baraga. Nassau. Weilburg; Berichtigung, den Tod des ev. Bischofs betr. —
Theologische Akademie.
Prot. Abth. Eine Stimme vom Neckar über eine kirchenrechtliche Frage im kön. preuß. Staatsgesetz betr. Mitgetheilt von Dr. W. Schwarz, Stadtpfarrer zu Mannheim. —
Kathol. Abth. Aphorismen. 1. Philologen und Naturforscher. 2. Generatio, factio, regeneratio. —
Literatur.
Isr. Abth.
Hirsch Versuche über Jissroels Pflichten in der Zerstreuung. Rec. vom Oberlehrer Dr. M. Heß. —
Anzeigen. |Sp. 0543|
Mitarbeiter
und
Correspondenten
:
135) Dr. Moritz Lieber, Ritter des päpstl. Gregorius-Ordens in Camberg.
136) Regierungs-Assessor Karl Heinrich Burchard in Coblenz.
137) Lic. Ferd. Pieper, Docent am theol. Repetenten-Collegium in Göttingen.
(Wird fortgesetzt.)
8. Moralität.
Die Zahl der Geburten im Jahr 1832 betrug 2516; von diesen waren 382 außer der Ehe geboren.
Für eine so nüchterne und sittsame Bevölkerung erscheint diese Zahl unehelicher Geburten sehr groß, da sie 15 1/5 Prozent oder beinahe 1 von 7 beträgt. Vielleicht erklärt sich dieser Umstand durch die Art, wie beide Geschlechter in den elenden Hütten der Bauern zusammengedrängt leben.
Keine andere mildthätigen Anstalten finden sich auf Island vor, als vier Hospitäler für Aussätzige; doch befinden sich in jedem gewöhnlich nicht mehr, als drei oder vier Kranke. Es gereicht den Bewohnern Islands zu nicht geringer Ehre, daß arme Kranke fast ganz von ihren eigenen Familien erhalten werden, und daß eine Art Verruf auf denen lastet, welche die Pflege derselben Fremden übergeben, selbst wenn sie auch dafür bezahlen. Jene, welche sich der ihnen angehörien Kranken nicht annehmen, werden auf einen Bericht des Repstiore von dem Sysselman angehalten, eine bedeutendere Summe zu erlegen, als die eigene Pflege der Kranken der Familie gekostet haben würde. Aus dieser Ursache findet man auch so wenig Anstalten zu Aufnahme armer Kranker auf der Insel.
|Sp. 0544| Verbrechen kommen selten vor; kleine Diebstähle, hauptsächlich in Schafen, sind am häufigsten. Das hohe Tribunal des Landes hat selten über mehr, als 6 bis 8 Fälle zu entscheiden. Die Peitsche ist, nächst Geldbußen, das einzige übliche Strafmittel; die zu schwerer Arbeit Verurtheilten werden nach Kopenhagen geschickt. Die Erziehung ist rein häuslich; jedes Familienhaupt lehrt seine Kinder Lesen und Schreiben und die Vorschriften der Religion nach den vom Gesetz bestimmten Büchern.
Die sanfte und friedliche Gemüthsart der Isländer, ihre religiöse und sittliche Erziehung, und ihre mäßige Lebensweise bewahren sie vor Verbrechen schwerer Art, so daß seit vielen Jahren kein Todesurtheil verhängt wurde. Das letzte Beispiel dieser Art lieferte ein Bauer, der sein Weib ermordet hatte; doch da sich niemand auf der Insel fand, der sich zum Scharfrichter hergegeben hätte, so mußte man den Verbrecher nach Norwegen schicken, um das Urtheil dort vollstrecken zu lassen. Kein Isländer, wofern er nicht eines Verbrechens angeklagt ist, das Todesstrafe oder lebenslängliches Gefängniß nach sich zieht, kann vor bestandenem Verhör in Haft behalten werden. Verbrechen kommen überhaupt so selten vor, daß, wie der Gouverneur uns sagte, der Gerichtshof zu Reikiavik wenig oder nichts zu thun habe.
Australien
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Tonga
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Inseln
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Tongataboo. Ein von den Inseln der Südsee gekommener Reisender meldet, daß die Insel Tongataboo in einem sehr unruhigen Zustande sey, da die unbekehrten Einwohner sich zum Angriff auf die christliche Bevölkerung rüsteten. Die Missionäre Watkins und Hobbs, die sich um die Verbreitung des Christenthums sehr beeifert hatten, waren mit ihren Familien zu den Vavoo's geflüchtet; aber durch die Ankunft des berühmten Häuptlings und Kriegers George, der sich als Freund der Mission bewies, waren sie wieder zurückzukehren bewegen worden. Kapitän Dillon, der den Korallenriff, an welchem la Perouse gescheitert war, entdeckt und einen Theil des Eigenthums desselben von den Einwohnern der Insel, wo sich das Unglück ereignete, zurückerhalten hatte, befand sich in Neu-Seeland, wo man eine große Schlacht zwischen zwei Stämmen der dortigen Wilden erwartete.
(Preuß. Stsztg.)
|Sp. 0545| Westindien
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Insel
Martinique
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† Fort
Royal, den 24. Dezember 1836. (Schreiben des Bischofs von Bagnorea, und Apostolischen Nuntius zu Neu-Granada, Monsign. Gaetano Baluffi an seinen Bruder den P. Luigi, Guardian der Kapuziner zu Ancona):
Nach einmonatlicher Fahrt langten wir am 21. auf dieser Insel an, und schifften uns in obgedachtem Hafen im besten Wohlbefinden aus. Anfangs war die Reise beschwerlich, und hatten wir einen schweren Sturm zu bestehen; jedoch nach zehn Tagen änderte sich das Wetter, und wir erfreuten uns und genossen des herrlichsten Frühlings. Meine übrigen Begleiter hatten etwas gelitten, der mehr, der weniger; aber ich habe mit Hilfe und durch besondere Gnade der heiligen Jungfrau gar nichts auszustehen gehabt. Jetzt haben wir noch drei Monate unterwegs zuzubringen, um nach Bogota zu gelangen. Sodann müssen wir die Hitze und ungesunde Luft von Carthagena und dem Magdalenen-Flusse fürchten. Aber ich vertraue auf die Mutter Maria und auf Deine und der Uebrigen Gebete. Bete daher stets und stets, und lasse diese es auch thun.
Auf dieser Insel befindet sich ein Apostolischer Präfekt. Alle glauben, ich sey der erste Bischof, der seit ihrer Entdeckung sie betreten. Meine Ankunft hat Begeisterung erweckt. Gestern, als am Christtage, habe ich daß Hochamt gehalten. Der Gouverneur, den man gleichsam einen Vice-König nennen könnte, wohnte demselben mit allen Militär- und Civil-Angestellten bei. Die Menschenmasse war ungeheuer und sehr andächtig. Der Gouverneur erwies mir unendlich viel Artigkeit und Zuvorkommenheit, es ist der Contre-Admiral Baron v. Mackau, und der Apostolische Präfekt verlangte mich in sein Haus, wo ich auch wohne. Sie versichern mich, meine Ankunft habe die Religion sehr gehoben; das Volk kommt haufenweise von der Küste, um den bischöflichen Segen zu empfangen, und viele verlassen ihre Felder aus demselben Grunde. Wir danken Gott dafür. — Der größte Theil der Bevölkerung besteht aus Schwarzen, ein anderer Theil ist von bräunlicher Farbe, oder besteht aus Mulatten; Weiße sind in geringer Anzahl vorhanden. Gegen den 5. oder 6. Januar werde ich mich nach der Stadt St. Pierre begeben, dort drei oder vier Tage verweilen, und darauf meine Fahrt nach Carthagena auf der Fregatte Dido fortsetzen. Obgegedachter Apostolischer Präfekt ist ein Italiener, auf Corsika geboren, und heißt Pietro Paolo Castelli.
Diesen Brief sende ich über Paris etc. Ich umarme Dich von Herzen, und empfehle mich Deinem Gebete.
(Voce della Verità)
† St. Pierre, den 10. Januar 1837. (Schreiben an den Kanonikus Alexandrini zu Ancona, von seinem Neffen, dem Abbate Gallucci, Secretär von Msgr. Gaetano Baluffi, Bischof von Bagnorea, päpstlichem Internuncius zu Neu-Granada und Apostolischem Delegaten daselbst):
Unsere heilige Religion, welche von Tage zu Tage in Europa mehr in Abnahme geräth, vermöge der verderblichen Grundsätze unseres Jahrhunderts, flüchtet sich in die verborgensten Winkel des Erdkreises. Diese Insel, welche ich im Gefolge unsers vortrefflichen, verehrten Oberhirten besuchte, enthält in 23 Parochien 113,000 Einwohner. Viele von den Schwarzen sind immer noch in der Sklaverei verblieben, und ihrer gibt es nur wenig Freie. Von den Mulatten sind die Meisten Freie und nur wenige Sklaven. Die Weißen, Abkömmlinge der ersten Ansiedler, belaufen sich an der Zahl nicht höher, als 11,000. Die Angestellten der Regierung sind meist alte Franzosen. Die Schwarzen, und besonders die Sklaven, sind in entwürdigendster Unwissenheit geblieben; sie glauben, aber ihr Glaube ist todt, weil sie den schändlichsten Lastern ergeben sind. Es ist wahr, die Religion, zu welcher sie sich mit ihrem Herrn bekennen, würde vielem abhelfen, wenn der Mißbräuche weniger wären. Wünschenswerth wäre es, wenn die Regierung sie zum Ehestand ermunterte. Heut zu Tage werden sie liebreich behandelt, und die Herren sorgen dafür, daß ihnen Religionsunterricht ertheilt wird, was sie aber auch thun mögen, so wird ihr Streben vergeblich seyn, weil nur 27 Priester, gewiß voll religiösen Eifers, wie dies die französischen Priester sind, auf der ganzen Insel sich |Sp. 0546| befinden, und drei oder vier Parochien in fortwährender Vakanz stehen. Die Mulatten, welche die Freiheit erhalten haben, sind die eifrigsten Christen und suchen besonders sich religiösen Unterricht zu verschaffen. Die reinen, ursprünglichen Colonisten haben den Glauben ihrer Väter nicht verlassen, so sehr auch die aus Frankreich übergekommenen Angestellten Irreligiosität zu verbreiten suchten, und sich als Apostel des Unglaubens darstellten. Die Priester stehen in Achtung, und ihre Worte finden Eingang, möchte dies nur auch bei den in Lastern und Aberglauben versunkenen Sklaven der Fall seyn, damit das Land bald von guten Christen bevölkert werde. Ich könnte viel über diesen Gegenstand schreiben, wenn ich Zeit hätte, aber viele Geschäfte hindern mich daran. — Daher kann ich auch nicht alle Bemerkungen, welche ich in Betreff des religiösen Zustandes der Insel zu machen Gelegenheit hatte, aufzeichnen, und nicht einmal umständlich erzählen, welcher Empfang unserm ehrwürdigen Oberhirten von allen Klassen der Einwohner zu Theil wurde. Ich sage nicht, was der Gouverneur der Insel, was die oberste Behörde, was der Apostolische Präfekt der Mission, Pietro Paolo Castelli, der uns mit der edelmüthigsten Gastfreundschaft in seinem Hause aufgenommen, gethan; aber erwähnen muß ich, was das niedere Volk gethan. Zu St. Pierre, das weit bevölkerter ist, als Fort-Royal, konnte der Bischof nicht ohne Gensd'armerie-Eskorte ausgehen, weil das Volk sich haufenweise zur Benediktion herandrängte. Man sollte nicht glauben, daß man auf jenem Boden so viel farbige Menschen, Männer und Weiber sehen könnte. Viele der Kolonisten, ausgezeichnet als Offiziere und Commandeure der Ehrenlegion; alte Offiziere des Kaiserreichs, decorirt als Obristleutenants und Bataillonschefs sah man zuerst niederknien vor dem Gesalbten des Herrn, den Segen begehren und ehrfurchtsvoll den heiligen Ring küssen. Unsere Wohnung zu St. Pierre ist in dem Gouvernements-Pallaste, welchen uns der Gouverneur, der gewöhnlich zu Fort-Royal sich aufhält, hat einräumen lassen. Wir sind ständig von einer unendlichen Menschenmenge umlagert, welche theils den Segen, theils die Weihe der Rosenkränze und der heil. Medaillen begehren. Der Gouverneur hat befohlen, daß Sr. Exz. die militärischen Honneurs nach ihrem ganzen Umfange gemacht werden sollen. Unsere Wohnung ist nicht bloß von Schildwachen besetzt, sondern es befindet sich auch ein Soldat von jedem Corps im Vorsaale, und die Wachten gehorsamen Sr. Exzellenz eben so, wie einem General-Ossizier. Sollte sich unser Vaterland nicht vielleicht durch die der bischöflichen Würde bezeigte Verehrung selbst geehrt fühlen? Ich habe den Neffen der Kaiserinn Josephine, auf dieser Insel geboren, nebst andern jungen Männern von 20-30 Jahren, aus den angesehensten Familien, sich zu den Füßen Sr. Exzellenz niederwerfen sehen, um den Segen zu erflehen; weinen mußte ich, wenn ich an die Verderbtheit der Jugend in unserer Gegend zurückdachte! — Ich hätte noch viel zu sagen, aber ich bin zu sehr beschäftigt und schreibe diesen Brief nur auf das Geradewohl und in größter Eile. Meine erste Messe werde ich zu Carthagena feiern, wohin wir binnen acht oder neun Tagen gelangen werden, da wir uns heute Mittag einschiffen. Tausend und tausend Grüße etc.
(Voce della verità)
Jamaika
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Nach Jamaika-Blättern vom 1. März ist dem dortigen Versammlungshause eine Bill vorgelegt worden, wodurch die durch Dissenters-Geistliche vollzogenen Heirathen für gesetzlich erklärt werden sollen.
(Schwäb. Merk.)
— Die englische Regierung will auf Jamaika eine Bildungs-Anstalt für Lehrer anlegen, die sich der Erziehung der Neger widmen, und sie auf diese Weise befähigen sollen, die Freiheit, wenn sie sie binnen wenigen Jahren m vollem Maaße genießen werden, recht zu gebrauchen.
(Berged. Bote)
S. Kitts
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Die Mission der Brüdergemeine auf der englisch-westindischen Insel St. Kitts (St. Christoph) hat in Mitte vorigen Jahres eine heiße Prüfung zu bestehen gehabt, denn auf den beiden Posten Bethesda und Basseterre befielen alle Prediger sammt ihren Frauen mit dem gelben Fieber, und zwei derselben, so wie die Frau des Einen von diesen wurden durch den Tod hinweggerafft.
(Berged. Bote)
|Sp. 547|Barbados
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Auf der englisch-westindischen Insel Barbados sind die Kirchen der Heidenprediger seit der Frei-Erklärung der Negersklaven von diesen so stark besucht, daß die vordem meistens nur halbgefüllten die sonntäglich herzuströmenden Menge nicht zu fassen vermögen. Aber nicht bloß unter den Negern, auch unter den weißen Leuten zeigen sich Erweckungen, und es scheint eine rechte Zeit der Gnadenheimsuchung für Barbados angefangen zu haben. Es hat seit wenig Jahren eine erstaunliche Veränderung in Absicht auf religiöse Denkungsweise Statt gefunden. Menschen, welche früher nur im Dienste der Sünde geschäftig waren, sind nun thätig in der Sache eben des Herrn, welchen sie ehedem verlästert haben, und voll Eifer, das Glück, welches sie bei Jesu finden, Andern anzupreisen.
(Berged. Bote)
Afrika
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Kafferei
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Der Kaffer-Häuptling, Kama, der das Christenthum lieb gewonnen hat, drängt den ihm zunächst arbeitenden Heidenboten, ihm für seinen Stamm wenigstens Einen Prediger zu besorgen; ja, er geht dabei so weit, daß er denselben für die Seelen seines Volks verantwortlich macht. Er und sein Bruder Hena thun dabei, was sie vermögen, um den Platz eines Predigers bei ihrer Horde zu vertreten. Als er vor einiger Zeit seine Leute zusammengerufen, um sie zu fragen, was sie zu der Sache dächten, hieß es einstimmig: „Ohne Prediger können wir nicht leben." Sodann versprach das Volk, zur Unterhaltung eines Predigers beizutragen, und Kama hat dem Heidenboten in der Nähe gelobt, er wolle allen seinen Einfluß aufbieten, sein Volk zum Besuch des Gottesdienstes und die Kinder zum Besuch der Schulen anzuhalten.
— Da der Methodisten-Missionär Ayliff wegen des Kaffernkrieges seinen Posten Butterworth verlassen mußte, nahm er sich indessen der Fingus an, die von den umwohnenden Stämmen sehr verachtet werden. Ayliff hat sich nach Beendigung des Kaffernkrieges wieder nach Butterworth begeben, aber die Fingus, die so sehr nach dem Evangelium begierig sind, sollen nicht ohne Prediger bleiben. Vorläufig wird durch den nächsten Heidenprediger zu Beka für sie gesorgt, aber es ist beschlossen, ihnen eigene Missionäre zu senden.
— Die englischen Regierungs-Behörden in der Cap-Kolonie haben den Leuten, die mit den Kaffern Handel treiben, bei 30 Rthlr. Strafe verboten, dieses Sonntags zu thun, weil sie auf alle Weise christliche Zucht und Sitte unter den Kaffern zu ördern suchen, so viel bei ihnen steht.
(Berged. Bote)
Rußland
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Von der
Moloschna. Die Zahl der mennonitischen Dörfer beträgt 2/3 aller deutschen Kolonien an der Moloschna, nämlich 40. Jedes dieser Dörfer zählt höchstens 20-30 Landwirthe. Die Wirthschaft derselben ist im Ganzen besser, als die übrigen deutschen. Nichts desto weniger fehlt es auch ihnen an Tischtüchern, an Gläsern, Messern und Gabeln, Tellern u. s. w.; auch der Artikel Taschentücher gehört bei ihnen sehr zu den Seltenheiten. Ihr gewöhnliches Getränk ist Milch und Wasser; Bier ist nicht sehr häufig; der Wein aus der Krimm und vom Don kostet viel, und auch der Branntwein ist verhältnißmäßig nicht wohlfeil. Fast alle Mennoniten zeichnen sich durch Sparsamkeit aus, fast alle haben sich schroff in ihrer ursprünglichen Eigenthümlichkeit erhalten. Die meisten von ihnen, die sich selbst nur Taufgesinnte nennen, wandern aus Preußen ein, und zwar aus der Umgegend von Marienburg, Elbing, Danzig, und aus den Niederungen an der Nogat und Weichsel; wenige stammen aus der Gegend von Landau und Zweibrücken. Die Ersteren sind in Sprache und Sitten durchaus niederdeutsch, weßhalb sich in Rußland die friesischen und flämischen Kolonien mit ihnen vereinigt haben. Nur im Schnitt der Haare und in der Kleidung finden sich Verschiedenheiten bei beiden; jene tragen Knöpfe, diese Hasten. Auch kommt bei den Letzteren die Fußwaschung vor, und auch in der Form der Abendmahlsfeier unterscheiden sie sich von den Ersteren. Im Ganzen ist bei den mennonitischen Kolonisten Einfachheit, Genügsamkeit, ehrbarer Wandel, Gastfreiheit und Arbeitsamkeit anzu- |Sp. 0548| treffen; — auf der andern Seite aber auch Schroffheit und Schärfe, Verschlossenheit, Eigensinn und Genügsamkeit. In kirchlicher Beziehung stehen sie unter vier selbst gewählten Aeltesten, die etwa den Bischöfen der Brüdergemeinden ihren Funktionen und ihrer Stellung nach zu vergleichen seyn möchten. Ueberdieß fehlt es nicht an Lehrern, und der Gottesdienst wird in fünf Bethäusern gehalten. Die Predigten bestehen meistentheils in Eingebungen des Augenblicks; die Prediger haben keine Studien gemacht und sind durchaus unbesoldet. Die Kirchen oder Bethäuser sind äußerst einfach; sie bieten einen sehr nüchtern Anblick dar; der Gesang ist grell und wenig melodisch. Die beste Seite der Verfassung der Gemeinden besteht darin, daß sie mit großer Sorgfalt für Wittwen, Waisen, Alte, Kranke und Schwache sorgen, daß sie das Brandunglück, durch welches vielleicht ein Gemeindeglied betroffen wurde, Alle auf sich nehmen, daß viel für Verbesserung des Elementarschulwesens mit gemeinsamen Kräften geschieht. Neben der kirchlichen haben sie auch eine weltliche obrigkeitliche Behörde, der in einem gewissen Umfange das Recht der Züchtigung verlieben und die wiederum der Behörde von Jekaterinoslaw unterworfen ist. Im Uebrigen steht hier, an der Moloschna, die tatarische Volksthümlichkeit der deutschen ziemlich schroff gegenüber, was wohl einestheils durch die gänzliche Verschiedenheit der Sprache, anderntheils der Sitten und Gebräuche beider Theile herbeigeführt ist. Immer aber besteht doch noch mehr Neigung und Liebe zwischen Tataren und Deutschen, als zwischen diesen beiden und Russen. Und das hat ohne Widerrede in der Religion seinen Grund. Die Einfachheit des moslemischen Kultus läßt den Tataren weit lieber auf das fast schmucklose protestantische Bethaus des Mennoniten blicken, als auf den Bilderprunk und die Formenpracht des griechisch-russischen Kultus, die den befangenen Naturmenschen beängstigen, erdrücken oder abschrecken.
(Schwäb. M.)
England
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London, 28. März. Am grünen Donnerstage empfingen 72 arme Frauen (der König ist 72 Jahre alt) in der Whitehan-Kapelle von dem Almosenier der königliche Gaben, bestehend in Geld und Kleidungsstücken. Keiner der Empfänger war unter 60 Jahre alt, aber einer von ihnen war 108 Jahre, zwei zwischen 90 und 100 Jahren und mehrere zwischen 80 und 90 Jahren alt.
† — Eine hiesige Zeitung meldet, daß am 31. März in der Priory-Street der Grundstein zu einer neuen katholischen Kapelle, die man im Monat September vollendet zu sehen glaubt, gelegt worden sey.
(Ami de la Religion)
— Der Bischof von Lichfield und Coventry, Dr. Butler, ist gestorben.
(K. priv. Berl. Ztg.)
— Der Bischof von Norwich ist, 95 Jahre alt, nach langem Krankenlager gestorben.
(Allg. Ztg.)
— den 1. Aprill. Gegen die Kirchsteuer waren bis zum 6. März 773 Bittschriften mit 290,099 Unterschriften, für dieselben, und gegen die Regierungsbill zu Abschaffung derselben waren 679 Bittschriften mit bloß 53,928 Unterschriften dem Parlamente vorgelegt worden. Auch zu Leeds und Exeter wurden kürzlich Bittschriften gegen die Kirchsteuer abgefaßt. Die von Exeter ist um so bemerkenswerther, weil diese Stadt der Sitz des ultrahochkirchlichen Bischofs Pilpotts ist, und weil bei der betreffenden Versammlung hochkirchliche Geistliche sich eingefunden und gegen die Abfassung der Bittschrift opponirt hatten.
Bristol. Engl. Blätter vom 12. Aprill schreiben: In voriger Woche ließen die Kirchenältesten des Pfarrsprengels von St. Stephan in Bristol ein sehr achtungswerthes Mitglied des Sprengels, Hrn. W. Brown, Vorsteher eines Handlungshauses, wegen Nichtbezahlung seines Beitrags zu den Kirchsteuern mit 9 Schillings (5 fl. 24 kr.) auspfänden. Der damit beauftragte Beamte, welcher seine Pflicht sehr ungern erfüllte, nahm zwei werthvolle Tische weg, und brachte sie in eine Taverne, wo sie an einem der folgenden Tage im Aufstreich verkauft werden sollten. Wie gewöhnlich, hatte sich zu der Aufstreichshandlung eine zahlreiche Menschenmenge versammelt, welche vor Eröffnung derselben drei herzliche Beifallsrufe für Sr. Maj. Minister, eben so viele für deren Bill über die Kirchsteuern, und drei donnernde Mißfallensrufe gegen die Gegner dieser Bill ertönen ließen. Der Auktionär wurde mit solch stürmischem Gezische em- |Sp. 0549| pfangen, daß er abtrat, und den Versammelten sagen ließ, er habe nicht die Absicht, die Verkaufshandlung vorzunehmen. Nun erschien Hr. Brown, dankte seinen Mitbürgern für ihr festes Auftreten und erklärte, er habe, um das Gesetz zu versöhnen und zugleich sein Gewissen zu retten, sich erboten, statt jener 9 Shillings, 5 Liv. St. (60 fl.) zu einem durch freiwillige Bei-träge ebenfalls zum Besten der Hochkirche zu begründenden Fonds beizuschließen, sein Anerbieten sey jedoch verworfen worden, und er habe nun, da er bereits zum Unterhalt eines gottesdienstlichen Lokals für seine eigene Confession beitrage, sich nicht zwingen lassen wollen, noch für eine fremde beizutragen; deßwegen habe er die Zahlung verweigert. Die Versammelten gingen sofort, nach drei Beifallsrufen für Hrn. Brown, in Ruhe auseinander.
(Schwäb. Merk.)
Beide
Sizilien
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Neapel, den 23. März. Heute, als am grünen Donnerstag, hat wie gewöhnlich die große Prozession statt, der JJ. MM. der König, die Königinn, die Königinn Mutter, so wie alle Prinzen und Prinzessinnen zu Fuß beiwohnen. Sie besuchen an diesem Tage das Grab des Erlösers in fünf verschiedenen Kirchen, begleitet von dem ganzen Hofstaat und dem gesammten Offiziercorps. Der heutige und der morgige Tag werden hier auf eine ganz besondere Weise gefeiert, und kein Wagen noch irgend ein Fuhrwerk, welcher Art es auch seyn mag, darf auf den Straßen erscheinen, in denen Todtenstille herrscht. Die Frauen gehen alle schwarz gekleidet, mit weißen Schleyern über den Kopf, auch die Männer wählen größtentheils einen schwarzen Anzug, um die ernste Erinnerung auf eine würdige Weise zu feiern. Am heiligen Freitag, d. i. morgen, versammelt sich gewöhnlich die vornehme Welt in der langen, dann von keinem Geräusch gestörten Straße Toledo, und geht mehrere Stunden lang darin spazieren, was hier um so auffallender ist, als die Reichen hier in den übrigen 363 Tagen des Jahrs keinen Gebrauch von ihren eigenen Füßen machen, wenigstens nicht in den Straßen, höchstens auf den Promenaden außerhalb der Stadt und auch da nur selten.
(Allg. Ztg.)
Deutschland
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Oesterreich
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Wien. Der Verein zur Verbreitung guter katholischer Bücher hat im verflossenen Monate folgendes Circularschreiben an die Abnehmer der Vereinsbücher erlassen: „In einem Zeitpunkte, wie der gegenwärtige ist, wo das lesende Publikum durch frivole Lektüren schon so sehr in Anspruch genommen wird, und wo die sogenannte Pfennigs- und Lexikons-Literatur auf eine so ungeheure Weise überhand nimmt, muß es als ein auffallendes, tröstliches Ereigniß angesehen werden, daß ein Unternehmen von so ernsthafter Natur, wie der Verein zur Verbreitung guter katholischer Bücher, der die Verpflichtung auf sich genommen, durch gehaltvolle, gediegene, geistreiche Schriften den religiösen Sinn zu fördern, bereits durch sieben Jahre mit glänzendem Erfolge sich erhält, und trotz der verschiedensten Anforderungen seiner Mitglieder und Teilnehmer von Jahr zu Jahr sich erweitert hat. Ohne Zweifel verdankt der Verein diesen glücklichen Erfolg nächst Gott, Seiner Majestät unserem allergnädigsten Kaiser, welcher, wie Sein höchstseliger Vater, indem Er gestattete, daß Seinem erhabenen Namen die Werke des Vereines gewidmet würden, als dessen erster Schutzherr sich ausgesprochen, dem erlauchten Kaiserhause und andern hohen Personen geistlichen und weltlichen Standes, die sich diesem Vereine mit wahrhaft katholischem Eifer anschlossen. Dessen ungeachtet hat in dem letztverflossenen Jahre die Theilnahme zwar nicht sehr bedeutend, aber doch bemerkbar abgenommen; und sonderbar genug hat sie sich im Auslande fast in demselben Verhältnisse vermehrt, in welchem sie im Inlande abgenommen hat. Diese Verminderung der Theilnahme im Inlande muß dem Vereine um so schmerzlicher auffallen, da dessen Hauptaugenmerk beständig auf unsere Monarchie gerichtet war. Hat vielleicht der Verein selbst durch Mißgriffe, durch nicht ganz glückliche Wahl der Bücher hierzu Anlaß gegeben? Freilich ist es für ihn eine schwere Aufgabe, jeden verschiedenen Forderungen und Wünschen eines so zahlreichen Publikums vollkommen zu genügen; aber wenigstens hat er für sich das tröstende Bewußtseyn, daß er |Sp. 0550| das ihm vorgesteckte Ziel nie aus den Augen verloren, und er hofft auch, daß man ihm das Zeugniß nicht versagen wird, daß die bedeutend überwiegende Mehrzahl der erschienenen Schriften ganz vortrefflich und zweckmäßig gewählt ist. Ein solches Zeugniß wurde ihm noch vor Kurzem von der Gesellschaft zur Verbreitung guter Bücher in Paris durch ein eigenes Schreiben unaufgefordert ertheilt, und der Verein fühlt sich durch diese Anerkennung noch um desto mehr aufgemuntert, seine übernommenen Pflichten mit verdoppeltem Eifer zu erfüllen. Der Verein ist stets bereit, jeden guten Rath seiner Mitglieder mit Dank aufzunehmen und zu benutzen: und da er die strenge Verpflichtung fühlt, das Rückschreiten auf jede mögliche Weise zu verhüten, so nimmt er sich die Freiheit, durch gegenwärtiges Schreiben zu bitten, die beifolgenden Ankündigungen in Ihrem Wirkungskreise gütigst zu verbreiten, dieses so heilbringende Institut, wenn es sich nicht schon Ihrer Theilnahme erfreut, durch Ihren Beitritt zu unterstützen, und durch Ihr empfehlendes Wort auch Andere dafür zu gewinnen."
(Sion)
— An Bändezahl wurden von den Vereinsbüchern der Mechitaristen-Congregationsbuchhandlung ausgegeben, und zwar in Diözesen:
Wien 2875, St. Pölten 378, Linz 1344, Salzburg 714, Seckau 945, Leoben 259, Lavant 14, Prag 952, Leitmeritz 427, Königgrätz 301, Budweis 623, Olmütz 1470, Brünn 700, Lemberg 91, Tarnow 154, Przemysl 21, Mailand 14, Laibach 259, Gurk 357, Görz 35, Trient 630, Brixen 679, Gran 154, Colocza 63, Syrmien 35, Agram 42, Caschau 105, Csanad 49, Fünfkirchen 42, Großwardein 119, Reusohl 77, Neutra 91,Steinamanger 77, Stuhlweißenburg 14, Szathmar 70, Weszprim 133, Rosenau 14, Rom 77, Augsburg 854, Bamberg 252, Breslau 707, Köln 3360, Culm 70, Dresden 238, Ermeland 21, Fulda 56, Hildesheim 231, Limburg 49, Luzern 84, Mainz 28, München 434, Münster 889, Osnabrück 231, Paderborn 133, Passau 443, Regensburg 567, Speyer 42, Trier 42, Würzburg 521. Zusammen 23,751 Bände.
Im Jahr 1835, als dem siebenten des Vereines zur Verbreitung guter katholischer Bücher, wurde überhaupt eine Bände-Anzahl von 36,464 ausgegeben. Vom Beginne des Vereins 1830 bis Ende des Jahres 1835 wurde wie aus dem alljährlich gelieferten Ueberblicke der Wirksamkeit des Vereines ersichtlich ist, eine Bände-Anzahl ausgegeben von 233,702 Bänden. — Die Gesammtzahl der Bände, welche in den sieben Jahren 1830-1836 durch den Verein zur Verbreitung guter katholischer Bücher in Umlauf gesetzt wurden, beträgt die Summe von 260,166 Bänden. — Wir wünschen eine immer größere Ausbreitung des Vereins, um der schlechten Zeit-Literatur immer ernsthafter und wirksamer zu begegnen.
— Folgendes ist das Verzeichniß der Spitäler des Ordens der barmherzigen Brüder in den k. k. Erbstaaten. Wien in der Leopoldstadt; Feldsperg in Unterösterreich; Grätz in Steyermark; Prag in Böhmen; Görz ist Illyrien; Preßburg in Ungarn; Neustadt an der Mettau in Böhmen; Teschen in Oberschlesien; Erlau in Ungarn; Waralla im Zipser-Lande; Proßnitz in Mähren; Temeswar im Banat; Kukus in Böhmen; Brünn in Mähren; Lettowitz in Mähren; Wien auf der Landstraße; Linz in Oberösterreich; Papa in Ungarn; Eisenstadt in Ungarn; Großwardein in Ungarn; Waitzen in Ungarn; Fünfkirchen in Ungarn; Skalitz in Ungarn; Preßburg in Ungarn im Reconv. Hause; Agram in Kroatien; Zebrzidowitz in Ost-Galizien; Ofen in Ungarn; Wisowitz in Mähren; Szathmar in Ungarn. In diese Spitäler wurden vom 1. Nov. 1834 bis 1.Okt. 1835 aufgenommen 18,409 Kranke. Darunter waren 1587 Akatholiken, 99 Juden und 129 Altglauber. Gestorben sind 1641.
(Bem.)
Laibach, den 6. Aprill. Hr. Friederich Barraga, unser verdienstvoller Landsmann und würdige Missionär, ist aus seiner christkatholischen Gemeinde am Obersee (Lac Superior) in Nord-Amerika, über Liverpool, London, Paris, Marseille und Rom kommend, in seinem Vaterlande Krain angelangt und am 6. Aprill in Laibach eingetroffen. Er wird morgen, das ist am
zweiten Sonntage nach Ostern, Vormittags in der Domkirche in deutscher Sprache, und Nachmittags in der Pfarrkirche Maria Verkündigung in krainerischer Sprache predigen. Nach kurzem Aufenthalte kehrt er über Wien und Paris in seine Missionsstation wieder zurück.
(Illyrisches Blatt)
|Sp. 0551|Nassau
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Weilburg, den 2. Aprill. Nicht ein Schlagfluß in Folge überraschender Gefühle, wie ein Korrespondent dieses Blattes in einer der letzten Nummern meldet, sondern ein dreitägiges gastrisches Fieber endete das Leben des evangel. Landesbischofs Ammann, nachdem er noch auf seinem Krankenlager die Nachricht von seiner Ernennung zu dieser Würde mit Ruhe hingenommen hatte. Nur einen Unvorbereiteten, der sich selbst dieses Amtes nicht würdig hielt, hätte eine solche Nachricht tödten können, aber nicht ihn, dem Alle, die ihn kannten, den würdigsten Charakter zugestehen müssen.
(Frankf. Journ.)
Theologische Akademie.
* Eine Stimme vom Neckar über eine kirchenrechtliche Frage, ein königl. preuß. Staatsgesetz betreffend. Veranlaßt durch den Aussatz in der kathol. Abtheilung der
Universal
-
Kirchenzeitung
No. 5.
Mitgetheilt von Dr.
W. Schwarz
, Stadtpfarrer zu Mannheim.
E. etc. haben meinen sel. Vater zum Mitarbeiter an Ihrer unparteiischen Wir freuen uns jeden Anlasses, unsere aufrichtige Unparteilichkeit bethätigen zu können, und heißen in eben dem Grade, als wir den Verlust des würdigen Herrn Kirchenraths Dr. Universal-Kirchenzeitung aufgefordert. Der Tod ereilte ihn, so daß er selbst nichts einsenden konnte. Schon dieß möchte es rechtfertigen, wenn der Sohn es für einen Freund thut, was man von dem Vater wünschte. Aber auch der Unparteilichkeit Ihres Blattes wird beikommender Aufsatz erwünscht seyn.Schwarz in Heidelberg, achtbaren Andenkens, betrauern, den verehrt. Sohn desselben in unsern Reihen willkommen. D. R.
Die Universal-Kirchenzeitung No. 5 enthält einen Aufsatz über die Frage: "Kann der Staat Parochien für erloschen erklären?" der gegen das Preußische Gesetz vom 13. Mai 1833 gerichtet ist.
Auch wir sind nicht ganz einverstanden mit der Fassung dieses Gesetzes, welches seiner Zeit unserer Beachtung nicht entgangen ist; allein eben so wenig können wir uns der Argumentation jenes Artikels anschließen. Das Gesetz vom 13. Mai 1833 erklärt und ergänzt gewisse Bestimmungen des Preußischen Allgemeinen Landrechts, ihm ist demnach die Grundlage mit diesem Gesetzbuche gemein. Das Landrecht huldigt bekanntlich dem Collegial-System, wie solches seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland ausgebildet worden ist. Es erblickt in der Parochie eine Kirchengesellschaft, ein in sich abgeschlossenes und vollendetes kirchliches Gemeinwesen. Der bischöfliche Sprengel ist ihm ein Aggregat solcher Pfarreien, unter gemeinschaftlicher kirchlicher Regierung. Das Kirchengut gehört der Pfarrgemeinde; und ohne Gemeinde ist eine Parochie undenkbar. — Daß diese Grundsätze nicht unbedingt, nicht haarscharf auf die katholische Kirche angewandt werden können, leidet keinen Zweifel. Wir vermeinen aber auch in der Annahme der Bulle de salute animarum, und in andern gesetzlichen Acten, und noch mehr in den Handlungen der Preußischen Staats-Verwaltung ein Zeichen zu erkennen, daß die Preußische Regierung solches wohl einsieht; selbst das Gesetz vom 13. Mai 1833 gibt einen Beleg dafür.
Der Standpunkt des Aufsatzes in No. 5 ist ein ganz anderer: Durch Handlung der geistlichen Oberen entsteht ein geweihter Ort, eine Pfarrkirche. Sie selbst ist Niemands Eigenthum; wohl aber kann sie Eigenthum besitzen. Von einer Gemeinde ist allerdings dabei auch die Rede, und diese ist keineswegs ganz rechtlos; aber man würde irren, anzunehmen: ihr gehöre das |Sp. 0552| Kirchengut. Sie kann aussterben, sie kann sich verlaufen, dadurch hört der geweihte Ort nicht auf, was er ist, so lange der Wille der geistlichen Oberen ihn bestehen läßt. Diese allein sind es, die das Erlöschen einer Parochie giltig aussprechen können. Was alsdann aus ihrem Nachlaß werden soll, verfügen dieselben geistlichen Oberen. Denn wie die katholische Kirche, als Gesammtheit der Gläubigen, unter ihrem sichtbaren Oberhaupte, dem Papste in subjectiver Beziehung eine Einheit vorstellt, so bildet auch das Kirchengut, in Verwaltung desselben Oberhaupts und der ihm untergeordneten Hirten, rechtlich nur eine Masse. Die Kirche, in ihren rechtmäßigen Gewalten dargestellt — habet omnia et a nemine habetur.
In diesem Sinne will unser Artikel, der das Preußische Gesetz vom 13. Mai 1833 ausschließlich auf Schlesien und dessen katholische Kirche bezieht, die besonderen, von ihm allegirten Rechtsquellen, namentlich die Altranstädter Convention, den Breslauer Frieden und die Bulle de salute animarum verstanden und angewandt wissen. Vergleicht er doch eine katholische Parochie mit einer Handelskommandite, deren Vermögen, wenn der Handelsherr sie auflöset, diesem zufällt! — Jenes System erwuchs auf dem Boden des Mittelalters, wo Lehnsherrlichkeit und Priestermacht sich in die Zustände theilten. Ausgehend auf eine Weltherrschaft der Kirche, und deren äußerliche Einheit mit Strenge fordernd, scheiterte es an der Entwicklung, die seit dem Ende des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts Gestalt gewann. Die Einheit der Kirchen zerriß, die Staaten wurden frei von päpstlicher Bevormundung. Dieses hatte nothwendig eine Umgestaltung der Begriffe über kirchliches Mein und Dein zu Folge. Denn, da keine Art des Eigenthums ohne öffentlichen Schutz bestehen kann, so fiel, bei der Ausbildung des neueren europäischen Staatsrechts, das Kirchengut der Oberherrlichkeit anheim. Hieraus ergab sich mit unabweisbarer Folgerichtigkeit der Anspruch und die Berechtigung des Staats, in dringenden Fällen auch über das Kirchengut zu Zwecken der öffentlichen Wohlfahrt zu verfügen. Das Beispiel David's, der von den Schaubroden aß, ist von der Säkularisation des Hochstifts Utrecht durch Kaiser Karl V. bis zur Aufhebung des Augustinerklosters in der Wiener Hofburg oft in Anwendung gebracht worden. Wir wollen nicht behaupten, daß dabei niemals ein Unrecht begangen sey. Aber die Richtigkeit des Prinzips, die Abhängigkeit der Kirche im Zeitlichen von der Staatsgewalt, steht unumstößlich fest.
So haben denn die Ideen von dem Eigenthum geweihter Orte und von einer dasselbe vertretenden Priesterschaft, wie auch von dem Gesammteigenthum der, über die ganze Erde verbreiteten katholischen Kirche, nur noch eine asketische Geltung. Auf dem Boden des wirklichen, lebendigen Rechts ist ihnen längst der Abschied gegeben. Die Gemeinde, der religiöse Verein, dem die gottesdienstliche Anstalt dient, die Kirche in diesem lebendigen Sinn, ist Trägerinn des kirchlichen Eigenthums. Man höre den Erklärer des Dekretalrechts, den Spanier Gonsalez de Tellez zu cap. 2. de rebus eccl. alienandis. Er schreibt: "die Wahrheit ist: Die Kirchengüter gehören der Kirche, und zwar jener besonderen, der sie zur Ausstattung dienen, und nicht der allgemeinen Kirche, vielweniger aber der Kirche von Holz und Stein, die in ihren Ringmauern dasteht."
Als Hannover, vor etwa 10 Jahren, in der Grafschaft Lingen die, wegen Mangels an Eingepfarrten entbehrlichen reformirten Parochien einzog, und die Kirchen an die Katholiken zurückgab, war des Rühmens kein Ende. Wie beifällig wird, namentlich in der „Aschaffenburger Kirchenzeitung", beurtheilt, was man in Irland Aehnliches zu Gunsten der katholischen Bevölkerung dermalen erstrebt! — Hier aber, wo ein evangelischer Monarch dazu thut, die Spuren eines alten, sehr auffallenden, ähnlichen Uebelstandes vor den Augen seiner Unterthanen zu vertilgen, vernimmt man von allen Seiten das Gezisch des Argwohns und den Laut der Bemängelung! Man hat offenbar nicht einerlei Maß und Gewicht für einerlei Sachen.
Es wird gesagt: den Lutheranern in Schlesien sey im 17ten Jahrhundert, als Oesterreich ihren Gottesdienst verbot, und ihnen an 150 Pfarrkirchen wegnahm, nichts Schlimmeres begegnet, als was manchen Katholiken in Deutschland geschehen. Der Kaiserliche Hof habe sich seines Rechts bedient, nach dem Westphälischen Frieden. Wir vermeinen jedoch: es sey ein Unterschied: |Sp. 0553| ob im Reich, beiderseitig, hier ein Besitzthum verloren ging, dort erworben wurde, nach der durchgreifenden Regel des Normaljahrs; oder ob in Schlesien für einen Theil Alles verloren ging, weil der Kaiserliche Hof seiner Macht keine Gränze setzen lassen wollte. Oesterreich handelte freilich nicht unrecht gegen die Garanten des westphälischen Friedens, da es so verfuhr: dies geben wir zu; ob aber auch gerecht und billig gegen seine evangelischen Unterthanen, das ist eine andere Frage.
Man führt an: Friederich der Große habe die Sache in Schlesien bestehen lassen, wie er sie gefunden. Gesetzt, dem wäre also, so folgte daraus nicht, daß es allzeit so fortgehen müsse; aber auch die Thatsache ist nicht richtig. König Friederich gab dem unnatürlichen Verhältnisse den Hauptstoß, indem er den nexus parochialis aufhob. Dies geschah während des siebenjährigen Krieges zu Gunsten der Evangelischen. Nach dem Hubertsburger Frieden, welcher keine Stipulation wegen Zurücknahme dieser Maßregel enthält, wurde die gleiche Wohlthat auch den Katholiken zu Theil. Da in Folge dessen die Entrichtung von Zehnten und Stolgebühren an den aufgedrungenen, fremdgläubigen Pfarrherrn fortfiel; konnten natürlich manche solcher Pfarreien, aus Mangel eines hinreichenden Auskommens, für sich allein nicht mehr bestehen. Dieses Loos traf mehrentheils jene Gegenden, wo es unter den Ansässigen wenige oder gar keine Katholiken gab, und selbst unter dem Gesinde kaum welche angetroffen wurden. Ein günstiger Augenblick war eingetreten, die Sache für beide Religionstheile bleibend zum Guten zu ordnen: aber man begriff, wenigstens man ergriff ihn nicht.
Die geistlichen Oberen der katholischen Kirche begnügten sich zu gestatten; daß mehrere solcher Benefizien vorübergehend in einer Hand vereinigt werden durften,— eben, wie der Zufall es vermittelte. Manchem Geistlichen gelang es, 4 bis 5 solcher Pfründen zu erbeuten, und er befand sich leiblich wohl dabei. Da jedoch das Reich Gottes nicht in Essen und Trinken besteht, sondern in Friede und Freude im h. Geist; so wird es erlaubt seyn, zu fragen: ob jener leibliche Segen das wahre Wohl der katholischen Kirche Schlesiens gefördert habe? Wir bezweifeln es, aus inneren Gründen und nach der Erfahrung. Denn, daß von nun an die talentvollsten Geistlichen, angelockt durch die Aussicht auf ein reichliches und bequemes Auskommen, eben in diesem Theile des bischöflichen Sprengels, wo es wenig zu thun gab, ihre Anstellung suchten, gereichte schwerlich dem Ganzen zum Gewinne. Wenn wir auch nicht all das Böse glauben, was von dem Buhlen um die Gunst der Patrone zum Nachtheile des Clerus erzählt wird; so muß doch eingeräumt werden, daß die Versuchung dazu nahe lag. Der Ausspruch der heiligen Schrift: daß wenn ein Leben gut war, so war es eitel Arbeit und Plage, findet recht seine Anwendung auf den katholischen Priester. Nichts kann ihm den Mangel des Familienlebens ersetzen, als daß er mit Leib und Seele aufgehe in dem Dienst der ihm anvertrauten Gemeinde. Der wohlhabende Pfarrer einer kleinen, mehrentheils aus geringen Leuten bestehenden Gemeinde, besitzt dazu zwar äußere Mittel wie sie nicht jedem andern Seelsorger zu Gebote stehn; aber er gehört auch der vornehmen Welt seines Orts an; er bequemt sich nach deren Sitten und Meinungen: er will von ihrem Umgange nicht ausgeschlossen werden. Ist nun diese vornehme Welt einer andern Confession zugethan, wie durchweg in Niederschlesien, so gewinnt zwar die äußere Bildung des Geistlichen; aber die Innigkeit in dem Verhältnisse zu seiner Gemeinde sinkt, und nicht gar selten verwittert die katholische Gesinnung. Man erinnere sich der Austritte von 1825, welche im katholischen Deutschland heute noch unvergessen sind und bei welchen bekanntlich die preußische Regierung in einer Weise handelte, daß die Wünsche und Erwartungen der frommen Katholiken weit übertreffen wurden.
Durch völkerrechtliche Verträge können allerdings auch die Unterthanen Rechte erwerben; allein so erworbene Rechte bleiben nichtsdestoweniger der Oberhoheit des Staats unterworfen. Man muß dabei die fremden Mächte, mit denen der Vertrag geschlossen und die eigenen Unterthanen wohl unterscheiden. Diese können ihr Recht, gleichviel wie es entstanden ist, dem Throne gegenüber immer nur bittweise geltend machen.
Die Altranstädter Convention bauet auf den westphälischen Frieden, der ja sonst, wo es dm Vortheil der katholischen Kirche gilt, als abgeschafft angesehen werden will. Im |Sp. 554| Grunde verhält es sich mit dem Breslauer und Hubertsburger Frieden ebenso. Oesterreich hat, wie unser Artikel gewissermaßen bedauerlich zu verstehen gibt, der durch den Nothstand des preusischen Staats im Jahre 1811 gebotenen Einziehung des schlesischen Stifts- und Klosterguts keinen Einspruch entgegengesetzt. Wir wissen nicht, ob dieserwegen eine vorgängige Verständigung stattgefunden hat; aber wir dürfen es der Weisheit des Wiener Kabinets wohl um so mehr zutrauen, daß es in der Abschaffung einiger Sinecuren nicht ein Sturmlaufen wider den katholischen Glauben erblicken werde, als ihm, nach seiner eigenen Gesetzgebung die, vielfältig in Anwendung gebrachte Befugniß zu Anordnungen von viel schwierigerer Art in Kirchensachen zusteht. Und wer, so fragen wir zuletzt, wer ist der gewinnende Theil in Betreff des preußischen Gesetzes vom 13. Mai 1833? Sind es die Evangelischen oder die Katholischen? Wir glauben darüber könne kaum ein Zweifel stattfinden. Die Evangelischen haben im glücklichsten Falle weiter nichts zu erwerben, als einige, mehrentheils kleine, verfallene, schlecht gebaute Dorfkirchen. Daß eine solche Kirche ein eigenes irgend bedeutendes Fabrik-Vermögen besitze, welches mit übergeht, wird selten zutreffen. Die Pfarrgüter und Fundationen bleiben den Katholiken, und diese können dieselben jetzund verwenden, wo es ihrer am Meisten bedarf. Dieß ist ein ungeheurer Vortheil gegen sonst. Der Nutzen für den Staat, welchem, wie aus dem Wortlaute des Gesetzes selbst hervorgeht und, auch wenn dieß nicht der Fall wäre, wohl aus dem offenkundigen Charakter der preußischen Regierung geschlossen werden könnte, jedes fiskalische Interesse bei seinem Verfahren in dieser Angelegenheit fremd geblieben ist, besteht lediglich darin, daß beide Religionstheile ihr Pfarrwesen jetzt bequemer und angemessener einrichten können, und die Aufreizung der Gemüther aufhört, welche den bisherigen Zustand begleitete und die evangelische Landesregierung Schlesiens — dedit profecto grande patientiae documentum beinahe hundert Jahre ertragen hat.
Auch die von dem Könige von Preußen, "vermöge seiner Majestätsrechte, und diesen Rechten, wie auch allen seinen Unterthanen evangelischer Religion und der evangelischen Kirche des Staates unbeschadet" (— wie die gleichzeitig publizirte Kabinets-Ordre vom 23. August 1821 sagt —) angenommene Bulle de salute animarum, welche erzählungsweise die Anzahl der Pfarreien angibt, enthält, unseres Erachtens, nichts, was dem wesentlichen Inhalte des Gesetzes vom 13. Mai 1833 entgegenstünde.
Der Möglichkeit des Mißbrauchs sind freilich alle Gesetze unterworfen, also auch das hier in Rede stehende. Allein wenn die bisherige Erfahrung den Maßstab unsers Urtheils abgeben darf, müssen wir uns versichert halten, daß die preußische Verwaltung sich ihres Berufes, Recht und Freiheit zu schirmen, zu klar bewußt ist, und beiderlei Interessenten ihren wahren, im Frieden gegründeten Vortheil zu deutlich erkennen, als daß ein wirklicher Mißbrauch und eine gegründete Klage leicht zu besorgen stände. Möchte überall die Katholische Kirche des Schutzes und der Freiheit genießen, welche ihr in Preußen zu Theil wird! —
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Aphorismen
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1. Philologen und Naturforscher.
Wie die Philologen über dm wahren Verfasser einer alten Schrift, über deren Integrität, Unverfälschheit, Zusätze und Lücken, Interpunctionen und Eintheilung, wie über die richtige Stellung und Folge ihrer Partien und Abtheilungen, so zanken die Physiologen über das Buch der Natur, obwohl doch von demselben nur eine Ausgabe, ein rein und unverfälscht überlieferter, deutlich geschriebener unzweideutiger Text gegeben zu seyn scheint. Und dennoch haben sie näher besehen nicht so ganz unrecht. Schon Leibnitz bemerkte, wie dieser gleichsam in Felsen ausgehauene, und wie in ewigen, crystallenen Stereotypen auf- und zusammengestellte Text verschiedene Lesearten verstatte, ja dieses Buch der Natur im Grunde so viele Ausgaben zähle, als es Leser hat, als es Monadenspiegel des Universums gibt; |Sp. 0555| und welcher Spiegel spiegelt es am reinsten und vollständigsten? Und wissen wir nicht überdies, was die Weisen aller Völker und Zeiten wußten, daß der Mensch und mit ihm die Natur aus ihrer ursprünglichen Ordnung und von ihrer Idee abgewichen, und daß in Folge eines Urverbrechens manches versetzt, manches falsch verbunden und falsch getrennt und sinnstörend accentuirt und aspirirt sey, ja daß ein böses, unheimliches Wesen noch dazu neben und zwischen dem Urtext seine finstern, widersinnigen Einfälle und Randglossen hineingeklekst und gekritzelt habe, die oft an Form und Styl dem Originale zum wenigsten in den Augen des minder scharf Blickenden und Untersuchenden fast ununterscheidbar ähnlich sehen? Mancher der grandiösen Urphilologen dieser Natur- und Gottesschrift wandte sich von außen nach innen, und suchte im Buche des Menschengeistes und Gemüths den Schlüssel jener geheimnißvollen und wie es schien, zudem verfälschten Schrift, um eine Hindeutung auf die richtige Lesart zu finden. Aber auch hier erschien der Text nicht mehr rein und unverfälscht in seiner ursprünglichen Gestalt; unzählige Zweifel und Widersprüche beweisen, daß er keinesweges geeignet, einen hinlänglichen Commentar und Schlüssel darzubieten. Endlich ging den lang vergebens Harrenden und eitel Arbeitenden ein Licht auf, und sie erkannten, daß die Natur und der Mensch und beider Geschichte nur da richtig zu lesen und wahrhaft zu verstehen, wo beider Text noch in unverfälschter Reinheit und ursprünglicher Schöne und Herrlichkeit vorhanden, im Spiegel eben desselben wundervollen Geistes, der sie im Anfange gut und vollkommen geschrieben, und ihn zu lesen und durch Lesung ihn zu erkennen und zu ihm sich zu erheben hingestellt hat. Bei jedem andern Spiegel ist das in ihm sich Spiegelnde, Ursache des Spiegelbildes; auch bei jenem Spiegel, in wiefern darin die Güte und Herrlichkeit des dreieinigen Gottes sich offenbart: in Beziehung aber auf den fraglichen Text der Schöpfung, die Natur, die Menschheit und die Geisterwelt, so ist hier das Spiegelbild, der Urtext Ursache und Original, jene aber die Wirkung und Copie. Die Vernunft vermag es einzusehen, und die Menschheit, selbst im gefallenen Zustande, ahnte und wußte, wenn sie es ahnen und wissen wollte, überall und zu allen Zeiten, daß nicht die individuelle, sondern die allgemeine Vernunft die Autorität der Wahrheit, auf die alle sich berufen, daß nur der λογος das Höhere einende Band und Licht der Menschheit sey, welches sie erhält und trägt, daß nur das Wort, nicht Worte und Wörter das Scepter der Herrschaft schwinge, dem alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden, d. h. in der nicht intelligibeln Natur, welche es durchwohnend formt, belebt und vollendet, wie in der intelligibeln Menschen- und Geisterwelt, der es inwohnt und durch freien Gehorsam und Unterwerfung in Ehrfurcht und Liebe sich zuzubilden trachtet, so daß sein Maaß, seine Weisheit und Schönheit dort gleichsam in den Bewegungen der blinden Nothwendigkeit, wie hier auf höherer, der Gottheit näherer Stufe in wissender Freiheit des Gehorsams und in Liebe offenbar wird. Aber wer dürfte sich vermessen, zu behaupten, in jenem Spiegel, dem hehren, unbefleckten, reinen mit klarem, ungeirrtem und ungeblendetem Auge gelesen zu haben, was die Natur und der Mensch im Ursprunge gewesen, und was sie der Idee des allerhöchsten Willens gemäß seyn sollten und vielleicht noch werden sollen? In dieser Verwirrung und Verlegenheit der armen Menschheit entschloß sich der Geist Gottes, der Geist der Gnade und Erbarmung zu dem demüthigen, herablassenden Geschäfte Schriftsteller zu werden durch Menschen, für Menschen und in der gefallenen Menschheit Sprache und Schrift ein Buch zu verfassen, welches mit Himmelshoheit in Kindeseinfalt erzählte, was geschehen, geschieht, und geschehen wird, wie der Mensch in der Zeit und ihrer dreifachen Zerrissenheit in seinem getrübten Geiste und geblendeten Herzen es einigermaßen zu fassen und zu verstehen vermochte; was Gott der Vater, der Sohn und der Geist selbst gethan im Himmel, auf Erden und unter der Erde, in der Schöpfung, Erlösung und beseligenden Heiligung der Menschheit, was er thut und zu thun vorhat, sie zur Theilnahme an seiner Seligkeit zu führen, und was bis in's Kleinste sein Wille und der einzige unfehlbare Weg sey, jenes seines hohen Zweckes mit uns und aller Creatur nicht zu verfehlen, ja er behielt sich selbst es vor, innerlich im Herzen des Lesenden und Suchenden da beizustehen und nachzuhelfen, wo ohne seine Hilfe das Verständniß der Tiefe der Rathschlüsse und Wege Gottes |Sp. 0556| unmöglich, und sohin dasjenige Buch, welches das Buch, und diejenige Schrift, welche die Schrift, vergebens geschrieben seyn würde etc. Ja, durch eine That, die nicht Mensch noch Engel ahnen konnte, ward das Wort Fleisch, und starb für uns, damit wir das neue Leben, welches er selbst im Tode uns gewann, haben und so seiner himmlischen Wesenheit theilhaft werden mögten. Daß im Anfang das Wort und das Wort bei Gott und Gott war, ohne das nichts gemacht ist, was gemacht ist, und das jedem leuchtet der in dieses Leben kommt, wußten auch die Heiden und sie waren Christen, wenn sie den erlösenden Tag der Zukunft schauend oder in dämmernder Ferne ahnend dem Worte in der Natur und im Gewissen und Herzen und in der weisern Gesetzgebung ihres Volkes sich öffneten und darnach thaten und lebten. Mit den Worten aber: und das Wort ist Fleisch geworden, beginnt das seligere Glaubensbekenntniß der Christen im wahren, vollen Sinne des Worts, gegen dessen Erkenntniß jenes Licht nur Dämmerung, und welchem allein die Weltlast abgenommen, durch seine Wissenschaft und Erfahrung des Geheimnisses der Wiedergeburt und von dem Leben aus dem Tode und von der Verklärung zur Seligkeit durch Schmerz, Leiden und äußerste Verlassenheit. Hier und bei der Gemeinschaft des Fleisches und Blutes Christi ist es nunmehr wo Christen und Heiden, die Wissenden und die Unwissenden, die in Hoffnung Seligen und die unselig Umirrenden, wo die Heerde eines Hirten und die von vielen, oder die, so keinem angehört, sich trennen und scheiden. Und wer sohin von Natur, Menschheit und den Geheimnissen der unsichtbaren Welt richtig schreiben und Auskunft geben will, weiß, wo und wie er zuvor zu lesen und zu lernen hat; den rechten Sinn und die Absicht des großen Autors aber wird immer der errathen und treffen, welcher nicht weiß, was er mit seinem Buche wlll, und seinen Willen wird keiner errathen und treffen dem er selbst ihn nicht offenbart, daß er darnach thue. Wir alle bleiben schlechte Philologen und Philosophen, ms wir zum λογος und der σοϕια selbstkommen oder vielmehr sie zu uns in der Gestalt des Menschensohns, Buchstabenkrittler, Buchstabierschützen und Wortklauber, geistlose Grammatiker und Buchstabenknechte, wie die meisten Philologen unserer Zeit. Nur durch den Geist des Autors der Autoren versteht man auch hier das klassische Werk. X...
2. Generatio, factio, regeneratio.
Der Sohn, sagten die Scholastiker, ist ein Sohn durch Natur, der Mensch ein Sohn oder Kind durch Gnade. Dennoch stellt der h. Bonaventura die ewige Erzeugung des Sohnes, wie den Hervorgang des h. Geistes als nothwendig-frei oder frei-nothwendig, als Liebes- und Lebensprozeß in der ewigen Gottheit vor, worin die Nothwendigkeit in Freiheit verklärt und die Freiheit durch Nothwendigkeit geadelt, Natur und Freiheit, Zug und Wille vereinigt und ausgeglichen ist. Von diesem Gesichtspunkt aus kann man vielleicht sagen, der göttliche λογος sey der Sohn durch freie Nothwendigkeit in der göttlichen Liebe, der Mensch aber durch nothwendige Freiheit: denn zur Schöpfung, deren Ziel und Zweck nächst Gott der Mensch war, ward Gott nur durch die Liebe, die man ein freies, inneres Bedürfniß nennen könnte, wobei freilich an keinen äußern Zwang oder Drang zu denken d. h. die Liebe durch die Liebe bewogen, nachdem der h. Ternar, menschlich zu reden, sich geschlossen (letzteres geschah von Ewigkeit, jenes von neuem und mit der Zeit) so daß dort Natur und Nothwendigkeit, hier Freiheit und das Belieben des göttlichen Rathschlusses vorzuwalten scheint. Der Mensch ist von Natur eines Lebens, wenn auch nicht eines Wesens, mit Gott, aber die Unnatur der Sünde hat bewirkt, daß er nunmehr uneins mit ihm, wie dem Wesen, so dem Leben nach und in der Gottesferne geboren wird. Der Zweck des Christenthums ist gänzliche Vertilgung dieser Unnatur und Wiederherstellung jener ursprünglichen Natur, in welcher Gottes Licht wieder unser Licht, Gottes Wille, wieder unser Wille, Gottes Leben, Kraft und Seligkeit wieder unsere Kraft, Leben und Seligkeit werden soll und der Mensch adäquat dem ewigen Urbilde der Menschheit in der göttlichen Weisheit, die Hülle gleich der Fülle. X... |Sp. 0557|
* חורב ersuche über Jissroels Pflichten in der Zerstreuung. Von S. R. Hirsch, großherz. oldenburg. Land-Rabbiner. Altona 1837.
Beurtheilt vom Oberlehrer Dr. M. Heß.
Die von demselben Verf. im Jahr 1836 herausgegebenen: "Neunzehn Briefe über Judenthum als Voranfrage wegen Herausgabe von Versuchen etc." mußten auf jeden Israeliten, dem das religiöse Fortschreiten seiner Glaubensgenossen am Herzen liegt, eine betrübende Erscheinung seyn; er mußte bedauern, daß ein Mann, dem es nicht an wissenschaftlicher Bildung fehlt und der es auch redlich meint, durch die Schule, zu der er geschworen, auf einen solchen Irrweg gerathen konnte, daß er, statt als Rabbiner und Volkslehrer dahin zu wirken, daß ein geläutertes Judenthum, welches mit dem Geiste der h. Schriften und mit dem bürgerlichen Leben der jetzigen Israeliten im Einklange steht, wodurch allein dessen Erhaltung möglich wird, aus den Verunstaltungen des Rabbinismus hervorgehe, seine Kenntnisse und seinen Scharfsinn aufbietet, um den Aberglauben und die Geistesverwirrung mit dem Nimbus einer sogenannten Vergeistigung und Symbolisirung zu umhüllen, die Israeliten in ihrem Fortschreiten zu hemmen und — gleich einem bekannten Concilium — die eingetretene Spaltung zu vergrößern und zu verewigen.
Nach dem, in jenen Briefen Siehe die Beurtheilungen dieser Briefe von Dr. Salomon und Dr. A. Geiger im 2. Bande der vortrefflichen Zeitschrift für wissenschaftliche jüdische Theologie.
So wird, als Grundlage der Sabbathfeier, nach dem Talmud der Grundsatz aufgestellt: "der Begriff der am Schabboß untersagten M'lochoh (Arbeit) ist: Ausführung einer Idee an einem Gegenstande durch Kunstfertigkeit des Menschen." (S. 95) Daraus wird nun unter Andern hergeleitet, daß man sich nicht über Gräser waschen dürfe, weil dadurch das Fördern des Graswuchses unumgänglich (S. 96) ein Haus niedereißen zwar keine M'lochoh (97), aber als Umzäunung verboten sey. Sodann werden die sogenannten 39 Stammarbeiten aufgestellt, von denen wieder eine große Anzahl abgeleitet werden. Verboten ist: Ermüdeten, sich auf feste Gewächse zu stützen; (nicht aber Unermüdeten) Früchte zu schälen zum spätern Genuß; Alles, was unbezweifelt zur Heilung von Unpäßlichkeiten geschieht; Flüssigkeiten auf körnerartigen Stoff zu verbreiten; (das Umgekehrte ist erlaubt) kaltes Wasser in heißes zu gießen; (das Umgekehrte ist erlaubt) Gefäße in denen man heiße Speisen gekocht, in Kissen einzuhüllen; den ganzen Körper oder auch nur Gliedweise in warmem Wasser zu waschen; einen Nagel abzuschneiden; das Haar zu kämmen; (außer mit einer für den Sabbath bestimmten Bürste) mit nassem Finger auf eine Tafel zu schreiben; selbst zahme Hausthiere aufzugreifen; mit Nüsse auf der Erde zu spielen; bei Licht zu lesen; Einheizen; in freiem Wasser zu schwimmen; (im gesperrten ist's erlaubt). Diese Citationen mögen hinreichen, um einen Begriff von der rabbinischen Logik und Casuistik zu geben. Auf gleiche Weise werden die Vorschriften für die Festtage entwickelt und damit geschlossen, daß das Bartabnehmen an den Tagen zwischen den Festtagen (der sogenannten Mitteltagen) verboten sey. Zwar finde die Ursache, weßhalb die Rabbi- |Sp. 0558| ner solches untersagt haben, zu unserer Zeit nicht mehr statt, ja es werde sogar durch die Beobachtung dieses Verbots der Absicht, die sie dabei gehabt, entgegen gehandelt; dennoch müsse die Verordnung fortbestehen so lange sie nicht, durch eine, der Einführenden an Gliederzahl und Gesetzesweisheit überlegene Gesetzbehörde aufgehoben ist. (140-141) Da nun die Erfüllung dieser Bedingung durchaus unmöglich ist, so sind die sämmtlichen rabbinischen Satzungen und Anordnungen unabänderlich und für ewige Zeiten.
So ist der Rabbinismus. Nachdem er dem Israeliten Fesseln angelegt, die sein ganzes Leben beengen, hat er dieselben, durch Aufstellung einen sophistischen Grundsatzes, für unlösbar erklärt. Sollte aber ein Blick auf das, was sich rings um sie her begibt, diejenigen Rabbiner, welche es redlich meinen, nicht zu der Ueberzeugung bringen, daß sie durch ihre Unbiegsamkeit die Religion, die sie erhalten wollen, zerstören? Das, für ein besonderes Volk in einem eignen Lande vorgeschriebene, nach den Umständen zu modifizirende Ceremonialgestz ist, zumal in der Ausdehnung, die ihm die Rabbiner gegeben, unverträglich mit der Betreibung der bürgerlichen Gewerbe, die, dem Himmel sey Dank, den Israeliten auch in den meisten deutschen Staaten geöffnet sind, und denen dieselben sich auch mit Eifer widmen; unvertäglich mit dem veränderten Bildungszustande und dem vielfachen Verkehr und Umgange mit den christlichen Glaubensgenossen. Der Handlungslehrling muß, in den meisten Handlungen, sich verbindlich machen, am Sabbath zu arbeiten; der reisende Kaufmann, der wandernde Handwerksgeselle, der etablirte Meister kann, ohne den größten Nachtheil, das Ceremonialgesetz nicht beobachten. Wir sehen daher diese Gebräuche dem mächtigen Gebot der Nothwendigkeit weichen und die bigottesten Eltern, ja selbst die eifrigsten Rabbiner und Talmudisten müssen zusehen, wie ihre herangewachsenen Söhne sie abwerfen. Was sind aber die Folgen dieses Losreißens von Gebräuchen, die man als wesentliche Bestandtheile der Religion, als heilige Pflichten darstellt? Sie zeigen sich bereits in vielen größern Gemeinden Gleichgiltigkeit für Religion und alle Anstalten, die mit derselben in Verbindung stehen, Vernachläßigung alles Gottesdienstens, Zwiespalt in der religiösen Erziehung der Kinder, Auflösung des Gemeindeverbandes. Sollen diese Uebel nicht immer weiter um sich greifen, soll die heranwachsende Generation der Religion erhalten werden, so ist es hohe Zeit Hand an's Werk zu legen und, nach den, von Talmudisten selbst geäußerten Grundsätzen, das hinwegzuräumen, was mit den bestehenden Verhältnissen durchaus unvereinbar ist, damit die Religion auf den Kanzeln so gepredigt und der Jugend so gelehrt werden könne, wie dieselbe in den verschiedenen bürgerlichen Berufsarten ausgeübt werden kann. Dieses ist die heilige Pflicht, welche den Rabbinern und Vorstehern der Gemeinden obliegt und die von mehrern der wissenschaftlich Gebildeten auch dafür erkannt wird, obgleich, freilich zum Theil durch Schuld der Regierungen und der Verhältnisse, nur sehr wenige sich frei und offen auszusprechen den Muth haben. Diejenigen aber, die auf der von den Herrn Hirsch, Sutra, Löwenstein und A. eingeschlagenen Bahn fortgehen und den Zwiespalt zwischen Religion und Leben zu erhalten suchen, werden nur den Verfall der Religion und die Abtrünnigkeit befördern.
(35) Bei E. Nübling in Ulm hat so eben die Presse verlassen und ist in allen Buchhandlungen zu finden:
Ueber den Zerfall des Cultus von Stadtpfarrer Neusser in Ulm. 8. broch. 18 kr.
Diese kurze aber gehaltreiche Schrift verdient die größte Aufmerksamkeit, indem der geistreiche Herr Verfasser nicht nur die Ursache des Verfalls öffentlicher Gottesverehrung eben so wahr als unparteiisch aufgedeckt, sondern auch die Mittel angegeben hat, wodurch diesem immer weiter um sich greifenden Schaden Einhalt gethan werden kann. Wem die Angelegenheit öffentlicher Gottesverehrung eine Herzenssache ist, wird gewiß diese Schrift mit Nutzen und Freude zu würdigen wissen.
Buchhandlung: F.
Varrentrapp
. — Herausgeber: Dr. J. V.
Hoeninghaus
. — Druckerei:
Heller
und
Rohm
. (Maschinendruck.)