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Offensichtliche Setzerfehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Original-Orthographie wurde ansonsten beibehalten.
Unparteiische Universal-Kirchenzeitung
für die Geistlichkeit und die gebildete Weltklasse des protestantischen, katholischen, und israelitischen Deutschland's.
Personal-Chronik der
Univ
.
-K.-Ztg.
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Kirchliche Zustände auf der Insel Island. 7. Wissenschaftliche Cultur. —
Kirchliche Nachrichten
. Nordamerika. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Boston;. Verur-theilung eines Geistlichen wegen Predigt gegen die Sklaverei; Detroit; Todesfall eines kathol. Missionärs; Bericht eines protest. Missionärs. — Afrika. Oberguinea. Akropong; Missionsberichte. — Irland. Dublin; Corresp.-Ber., die kirchlichen Zustände betr. —.Siebenbürgen; statist. Notizen. — Böhmen. Prag; Renovation der religiösen Standbilder; kathol. und israel. Kleinkinderbewahranstalten; Budweis; die Episteln etc. in deutscher und böhmischer Sprache. —
Theologische Akademie.
Protest. Abth. Die christliche Kirche im Gebiete der franz. Gesetzgebung. Vom Pfarrer Rudolph Frank in Alzey. —
Israel. Abth. Von dem Einfluß der Emanzipation auf den Cultus. Von Simon Bloch, Herausgeber der Régénération, in Straßburg. —
Literatur.
Israel. Abth.
Fischer, Rede bei der Einweihung der israel. Synagoge zu Hoppstätter etc. Rec. von Dr. M. Heß. —
Kathol. Abth. Katholische Würdigung eines protest. Predigtwerkes (Paniel Homiletisches Magazin). —
Anzeigen.|Sp. 0527|
Mitarbeiter
und
Correspondenten
:
131) Generalsuperintendent F. A. Ludewig, Pastor zu Helmstedt.
132) Professor Dr. Conr. W. Matthias in Cassel.
133) Pfarrer C. G. Ullrich in Mannsbach.
134) Universitätsrath Dr. Alb. Kreuzhage, Universitätsrichter in Göttingen.
(Wird fortgesetzt.)
7. Wissenschaftliche Cultur.
Was mag nun wohl diese abgeschlossen und einsiedlerisch lebenden Leute bestimmen, ihre Tage und Nächte auf emsige Studien zu verwenden, von denen sie, die dem Auge der Welt entzogen sind, doch kaum einen Nutzen weder für sich, noch Andere erwarten können? Ihr Eifer kann nur aus reiner und abstrakter Liebe zu den Wissenschaften entspringen, durch die sie getrieben werden, ihre intellektuellen Fähigkeiten zu üben. Die Strahlen der Sonne des Genie's brechen sich Bahn durch die düstern Wolken der Trübsal und die eisigen Nebel der Armuth. Dichter können unstreitig am besten Rechenschaft geben von dem, was Dichter fühlen, und einer unsrer größten Dichter hat gesagt:
Ruhm ist der Sporn, der edle Geister treibt.
(Die letzte Schwächst edler Seelen,)
Die Lust zu flieh'n, der Arbeit sich zu weih'n.
Auf welchen Ruhm kann aber wohl ein armer isländischer Geistlicher hoffen? Es liegt indeß hier ein anderes und vielleicht noch lobenswertheres Motiv zu Grunde, welches Einfluß auf den wissenschaftlichen Fleiß der Geistlichkeit übt. Da sie sich denselben Arbeiten und Beschwerden unterziehen müssen, wie der ärmste in |Sp. 0528| ihrer Gemeinde, und dennoch keine größere Bequemlichkeit sich verschaffen können, so fühlen sie, daß wissenschaftliche Fortschritte das einzige Mittel sind, sich bei ihrer Gemeinde jene Achtung zu verschaffen, die ein wesentliches Erforderniß ihres Standes ist.
Der gegenwärtige Zustand der Literatur in Island scheint anderer Art zu seyn, als in frühern Zeiten, und oft hört man ihren angeblichen Verfall beklagen, obschon sie eigentlich nur ihren Charakter geändert und sich mehr verbreitet, und zugleich etwas von dem frühem, heroischen und romantischen Anstrich verloren hat. Der Erzbischof von Briefe über Island von Dr. Upsala bemerkt, indem er die Worte des gelehrten Bischofs von Skalholt, Dr. Finnäus, entlehnt, der in seiner Kirchengeschichte von Island, den Zustand der Wissenschaften auf dieser Insel, mit den vier Stufenaltern des menschlichen Lebens vergleicht: "Ihre Kindheit erstreckte sich bis in das Jahr 1056, wo die Einführung der christlichen Religion das erste Tageslicht, hervorrief. Bis 1110, wo die ersten Schulen errichtet und der Erziehung und dem Unterricht der Jugend größere Aufmerksamkeit gewidmet wurde, als zuvor, dauerte ihr Jünglingsalter. Ihr männliches Alter erstreckte sich bis in die Mitte des 14ten Jahrhunderts, wo aus Island die meisten gelehrten Männer hervorgingen. Ihr Greisenalter reicht bis zu Ende desselben 14ten Jahrhunderts, wo die Wissenschaften nach und nach in Verfall geriethen und endlich fast gänzlich erloschen, da kein Werk von einigem Verdienst erschien. Die Geschichte senkte ihr Haupt, in der Dichtkunst herrschte kein Geschmack, und alle übrigen Wissenschaften waren in Finsterniß gehüllt."von Troil.
Dieser Verfall der Gelehrsamkeit beschränkte sich indeß nicht auf Island allein, sondern er erstreckte sich über den größten Theil von Europa. Ein neues Licht tauchte jedoch nach der Reformation auf, und die Erfindung der Buchdruckerkunst brachte auf Island dieselben wohlthätigen Wirkungen hervor, als im übrigen Europa. Eine wichtige Veränderung, hinsichtlich der Natur der von diesen Insulanern bis dahin betriebenen Studien, trat jedoch ein: Die Geistlichkeit besonders, statt Edda's und Saga's (oder poetische und historische Romanzen) zu dichten oder abzuschreiben, überließ das Lesen und Vortragen derselben den Bauern, während ihre eigene Aufmerksamkeit auf die Geschichte, auf Sammlung und Aufzeichnung von Begebenheiten gerichtet war, die sie in Form von Annalen und Chroniken einkleideten und sich dabei nicht bloß auf das beschränkten, was in Island vorging, sondern auch Ereignisse aus andern Ländern aufnahmen. Die Geschichte und Literatur der gebildetern Nationen Europa's |Sp. 0529| bildet jetzt einen Theil ihrer Studien; die englische Sprache, in welcher sie so viele Worte ihrer eigenen und so manche der lateinischen entlehnt finden, wird von vielen Geistlichen getrieben. Die deutsche Sprache finden sie noch leichter, und die dänische und norwegische nähert sich ihrer eigenen. Mehrere der erlesensten englischen Werke, besonders aus dem Gebiete der Dichtkunst, sind in die Landessprache übertragen worden.
Ein Beispiel möge hinreichen, um zu belegen, was hinsichtlich des Sieges literarischer Bestrebungen über drückende Noth gesagt wurde. Ein isländischer Geistlicher, der Pfarrer von Tagebuch über einen Aufenthalt in Island, von F. Backa, Namens, Jonas Thorlakson, gibt es uns. Dieser ehrwürdige Geistliche hatte in seinem siebzigsten Jahre eine Uebersetzung von Milton's verlorenem Paradiese vollendet, nachdem früher schon Pope's Versuch über den Menschen von ihm übertragen worden war. Nur drei der ersten Bücher des verlornen Paradieses waren von der isländischen literarischen Gesellschaft gedruckt worden, als diese im Jahr 1796 aufgelöst wurde. Das Buch auf eigene Kosten drucken zu lassen, war unmöglich, denn das jährliche Einkommen der beiden Kirchspiele Bägisa und Backa belief sich auf nicht mehr, als 30 Reichsthaler, wovon der arme Pfarrer noch einen Gehilfen bezahlen mußte.Henderson.
Ich kann nicht umhin, den Bericht des Hrn. Henderson's über seinen Besuch mitzutheilen, den er diesem ehrwürdigen Mann zu Bägisa abstattete, um so mehr, da er Veranlassung zu Erleichterung seines Schicksals gerade dann wurde, als Alter und Gebrechlichkeit am dringendsten Hilfe erheischten.
"Gleich den meisten seiner Amtsbrüder zu dieser Jahreszeit," sagt der Reisende, "fanden wir ihn nebst seinen Pfarrkindern mit der Heuärnte beschäftigt. Als er von unsrer Ankunft hörte, eilte er so schnell, als sein Alter es gestattete, um uns in seiner ärmlichen Wohnung willkommen zu heißen. Er führte uns in das niedre Gemach, in welchem er sich mit seinen Uebersetzungen beschäftigte.
"Die Thüre war nicht ganz vier Fuß hoch, und das ganze Zimmer mochte etwa acht Fuß lang und sechs breit seyn. An dem einen Ende stand das Bett des alten Mannes, und dicht an der Thüre, einem kleinen, zwei Fuß in's Gevierte haltenden Fenster gegenüber, ein Tisch, an welchem er zu schreiben pflegte. Als ich ihm sagte, daß weder meine Landsleute, noch ich selbst, es mir würden vergeben können, wenn ich durch diesen Theil der Insel gekommen wäre, ohne ihn zu besuchen, erwiederte er, daß ihm die Uebersetzung Milton's viele vergnügte Stunden gemacht und oft Gelegenheit gegeben habe, an England zu denken."
Diese Schilderung der beklagenswerthen Lage, in welcher ein Mann, wie Thorlakson, sich befand, und die, auf erfolgte Nachfrage, von Hrn. Bourke, damals dänischem Gesandten in London, vollkommen bestätigt wurde, entging der Aufmerksamkeit der Engländer nicht. Auf Anstiften eines der thätigsten Mitglieder der unter dem Namen des Literary Fund bekannten wohlthätigen Gesellschaft, wurde die Sache sogleich vorgetragen, und die Comité beschloß, den isländischen Barden zu unterstützen. Er erhielt 30 Pf. St., eine Summe, welche einem fünfjährigen Einkommen seiner Pfarre gleichkam, erfreute sich jedoch dieser Wohlthat nicht lange, denn in einer kurzen Uebersicht der Wirksamkeit der Gesellschaft vom 3. März 1821 wird angezeigt, daß der isländische Dichter gestorben sey. Er hatte sich in einem in sehr zierlichem Latein geschriebenen Briefe bei der Gesellschaft bedankt, und dem Schreiben eine Copie seiner Uebersetzung von Milton's verlornem Paradiese in isländischer Sprache beigefügt.
Die Bibliothek von Bessestad stand ganz im Einklange mit der unsaubern Beschaffenheit des Schlafsaales. Sie befand sich noch ganz in dem Zustand, in welchem Herr Hooker sie gefunden hatte, der sie als ein "kleines unsauberes Gemach beschreibt, in welchem eine Anzahl Bücher, größtentheils griechische und la- |Sp. 0530| teinische theologische Werke, in großer Unordnung durcheinander lagen."
Dicht bei dem Schulgebäude steht die Kirche, ein steinernes Gebäude mit einem großen hölzernen Dache. Dieß ist, so viel ich weiß, die größte Kirche in Island, mindestens kommt sie der in Reikiavik gleich. Innerhalb ihrer Mauern zeigt sich nichts, was die Aufmerksamkeit reizen könnte; ein alter Grabstein eines vormaligen Gouverneurs von Island ausgenommen, auf dem eine lebensgroße, auf ihr Schwert gestützte Figur in voller Rüstung ausgehauen ist. Ueber dem Altare befindet sich ein Gemälde, das Abendmahl vorstellend, mit Thüren verschlossen, die uns jedoch geöffnet wurden.
Alle Klassen der Bevölkerung lesen außerordentlich gern; in ihren niedern Hütten lesen oder erzählen die jungen Leute der versammelten Familie die Geschichte vergangener Tage, die Heldenthaten ihrer Vorfahren, wie sie in den Sagas enthalten sind, und die Abenteuer und romantischen Begebenheiten der ersten Ansiedler auf Island. In späteren Zeiten fehlte es nicht an Büchern in ihrer Muttersprache. Die aufgeklärte Geistlichkeit stellte nach der Reformation eine Buchdruckerpresse her, welche auf der kleinen Insel Vidoe, Reikiavik gegenüber, noch immer in Thätigkeit ist, und wo jetzt noch Bibeln, Psalter und andere religiöse Schriften, nebst historischen und sonstige nützliche Kenntnisse verbreitenden Abhandlungen gedruckt werden. Ein Volk dieser Art ist leicht zu regieren, und da es wenig oder gar keinen Verkehr mit Fremden hat, die wenigen dänischen Kaufleute ausgenommen, welche in den Häfen wohnen, und keine umherziehenden Prediger des Unglaubens oder Aufruhrs ihre Begriffe verwirren, so läßt sich nicht leicht eine Verschlechterung ihres moralischen oder politischen Charakters befürchten.
Nordamerika
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Vereinigte
Staaten
von
Nordamerika
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Boston. Ein Geistlicher zu Pittsfield im Staate Massachusets ist von einem Richter zu dreimonatlicher Zuchthausstrafe verurtheilt worden, weil er gegen die Sklaverei — mitten im Freistaate—gepredigt hatte.
(Bemerker)
† Detroit. Die kathol. Mission in Detroit m den Vereinigten Staaten hat einen empfindlichen Verlust in der Person des Herrn Leo-Fidele van der Poele erlitten. Dieser würdige Geistliche, gebürtig aus Wacken in West-Flandern, wurde der amerikanischen Kirche am 28. Januar d. J., in einem Alter von 47 Jahren entrissen. Herr van der Poele hatte am 7. August 1819 zu Tournay die Priesterweihe empfangen, und war 1833 nach den Missionen abgegangen. Er starb im Collegium St. Philipp, das er in Verbindung mit Herrn de Bruyn, einem Priester aus der Diöcese von Mecheln, gegründet hatte. Man hat ihn in dem Grabgewölbe der Bischöfe m der Kathedrale von Detroit beigesetzt. Seine letzten Worte, gerichtet an einen Zögling des Collegiums, entsprachen ganz einem zum Ruhme Gottes geführten Leben. Cleophas (sprach er zu ihm) liebe stets Gott über Alles. Herr van der Poele war zuletzt Direktor der Dominicaner-Kirche zu Brügge. Diese Stadt verdankt ihm die Gründung einer milden Stiftung.
(L'Univers)
Ann
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Arbor, im Staate Michigan, den 14. Novbr. 1836. (Aus einem Briefe von dem prot. Miss. Schmid nach Basel):
Wie es einem Wanderer, der eine zu schwere Last auf dem Rücken hat, wohlthut und ihn erfreut, wenn ein treuer Mitpilger ihm begegnet, ihm einen Theil seiner Last abnimmt und den Weg mit ihm in Liebe und Gemeinschaft fortpilgert, — so war es mir, als der liebe Bruder Schwabe hier ankam, und die Pflege der Gemeinde in Detroit mir abnahm. Es war mir ein wichtiger Tag, als ich von dieser Gemeinde, die lch drei Jahre lang auf dem Herzen getragen hatte, Abschied nehmen und sie der Pflege eines treuen Bruders übergeben konnte, wodurch sie vor den Wölfen, welche einzuschleichen versuchten, gesichert ist. Wie wohlthuend dieß für mich war, läßt sich nur recht verstehen, wenn man weiß, wie frei und ungehindert in Amerika die Verführungskünste des Satans ihren Lauf haben. Seitdem nun |Sp. 0531| Br. Schwabe seine Arbeit begonnen, hat es natürlich auch noch manchen Kampf gegeben, aber der Herr steht auf unserer Seite. Ich bedaure nur, daß seine Gesundheit öfters angegriffen ist, aber ich hoffe, wenn er etwas länger an das Klima gewohnt ist, wird dieselbe dauerhafter werden, und indessen geht es gut; und der Herr ist in den Schwachen mächtig.
Mein Wirkungskreis hat dagegen nach andern Seiten hin sich immer weiter ausgebreitet, indem sich immer mehr deutsche Einwanderer in unserer Gegend niederlassen. Daher finde ich hie und da immer wieder neue Häuflein, die das Wort des Lebens entbehren. Daß Sie sich darunter keine Dörfer wie in der Heimath denken dürfen, brauche ich kaum zu sagen. Es wohnt hier, die Städte ausgenommen, Jeder auf seinen Gütern, und meine Gemeinde ist daher auf einer Entfernung von 5-6 Stunden umher zerstreut. Wer nur eine halbe Stunde zur Kirche hat, sagt, es sey nahe. Außer unserer Kirche predigte ich deswegen noch an 3-4 verschiedenen Orten in der Gemeinde. Aber da ist keine Glocke, um die Leute im Walde zusammen zu rufen; das Bedürfniß des Herzens muß dazu treiben. Dies geschieht auch bei vielen neuen Ankömmlingen, selbst bei solchen, die in der Heimath wenig nach Predigt und Abendmahl fragten. — Andere hingegen, die nur hieher kommen, um die schöne Freiheit des Landes dem Fleische nach zu gebrauchen, machen es oft dem Prediger schwer, indem sie sich in keine evangelische Ordnung fügen wollen, sondern es mehr oder weniger offenbar darauf anlegen, sich selbst und ihre Kinder in Unwissenheit und zügellose Verwilderung zu bringen; aber auch solchen muß, besonders wenn sie sich zum Schein noch einer Kirche anschließen, das Wort zur Lehre, Strafe und Ermahnung gesagt werden — mögen sie dann wegbleiben oder nicht. Daraus können Sie unsere Arbeit und Mühe etwas sehen, und unserer um so mehr nach unseren Umständen vor dem Herrn gedenken.
Letzten Sommer wurde ein ziemlich großes zweites Versammlungshaus unter uns erbaut, welches etwa 2 Stunden von dem ersten entfernt ist, und in der Mitte der deutschen Niederlassungen steht. Obgleich noch nicht völlig beendigt, wurde es am 23. Oktober eingeweiht. Dieser Kirchweihtag war ein Tag der Freude für Jung und Alt, und wurde gefeiert mit Dank und Gebet.
(Der evang. Heidenbote)
Frankfort. J. J. Roberts von Kentucky in Nordamerika hat sein ganzes Vermögen von 40,000 Thlr. der Missions-Gesellschaft der Baptisten zum Besten der Mission in China geschenkt, und will selbst als Heidenbote in dieses Land gehen.
(Der Pilger aus Sachsen)
Afrika
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Oberguinea
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Akropong, den 13. Oktober 1836. (Aus einem Briefe von Br. Riis nach Basel):
Da ich von Ussu her die Nachricht erhalten habe, daß innerhalb weniger Tage ein Schiff nach London abgeht, so beeile ich mich, Ihnen schnell durch dasselbe einige Zeilen zuzusenden. Ihr theurer Brief vom 19. Juli d. J. ist mir am 2. Okt. richtig zugekommen, und hat meinem Herzen große Freude bereitet. Keine Nachricht hätte mich in meiner Einsamkeit mehr ermuntern können, als eben die darin enthaltene. Um desto größer ist nun auch die Dankbarkeit meines Herzens gegen den Herrn für seine überschwängliche Gnade an mir, und gegen meine theure Committee für die zwei theuren Brüder und die geliebte Schwester, welche Sie mir zusenden. O daß Gott, unser einziger Lebensbewahrer und Lebenserhalter, uns nun gnädig seyn, und diese Ihre dritte Sendung nach der dänischen Goldküste aus Gnaden gelingen lassen wolle — zur Ehre seines Namens und zur Rettung vieler armen Neger!
Aus meinem letzten Briefe wissen Sie meine Rückkehr hieher. Seitdem durfte ich mein Tagewerk ununterbrochen hier verrichten. Zwar sind die Streitigkeiten zwischen dem dänischen Gouvernement und Aquapim noch nicht geschlichtet, indem die Neger bei ihrer Weigerung, unter dänische Botmäßigkeit zurückzukehren, fest beharren. Diese Verhältnisse machten mir zur Pflicht, die größte Vorsicht zu gebrauchen. Dadurch, daß ich nicht zu häufig in den Dörfern oder bei einzelnen Negern Besuche machte, und meine Meynung über jene Verhältnisse durchaus nicht äußerte, |Sp. 0532| habe ich dieß auch gethan. Ich hielt es den Umständen angemessen, so ruhig als möglich mich in meiner Wohnung zu halten. Diese meine stille Einsamkeit war dennoch weder für mich, noch für die Neger ganz ohne Segen. Häufige Besuche von den Aquapim-Negern boten reichliche Gelegenheit dar, von der versöhnenden Liebe und Gnade Gottes freundlich mit ihnen zu reden. Dieselben sehen fast alle ein, daß ich um ihretwillen das Wohlwollen des dänischen Gouverneurs eingebüßt habe, und einige bemühen sich wirklich, durch ihre Liebe mir einigen Ersatz dafür zu verschaffen. Von dem Herzog, der noch auf Akra ist, erhalte ich dringende Bitten, in seinem Lande zu bleiben, welchen Ausgang ihre Sache auch nehmen möge. Daß noch einige Weiße hieher zu mir kommen, hat allgemeine Freude in Aquapim erweckt. Natürlich darf man solcher Freude keinen größern Werth beimessen, als sie wirklich hat. Indeß ist es für mich sehr ermunternd, versichert zu seyn, daß die kommenden Brüder eine freundliche Aufnahme von den hiesigen Negern finden werden.
Damit die theuren Geschwister, wenn sie in Christiansburg an's Land treten, nicht verlassen dastehen, habe ich die nöthigen Vorbereitungen durch den lieben dienstfertigen Verwalter, Herrn Lutterodt, zu einer freundlichen Aufnahme getroffen. Dieser liebe Freund hat mir versprochen, sie in seine eigene Wohnung in Ussue aufzunehmen, treulich für sie zu sorgen, und ihnen mit Rath und That an die Hand zu gehen, bis ich selbst hinunter komme, was 3 Tage nach ihrer Ankunft geschehen kann, da ich den Weg von Akropong bis Ussue zu Fuß und ohne alle Anstrengung in anderthalb Tagen mache.
(Der evang. Heidenbote)
— Die Missionare Mürdter und Stanger sind nach einer glücklichen Seereise am 3. Novbr. 1836 in Ussue auf der Goldküste angekommen, und von Missionär Riis nach Akropong im Aquapimlande abgeholt worden.
(Calw. Missbl.)
Irland
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* Dublin, 14. Aprill. Der kirchliche Zustand von Irland gibt fortwährend zu betrübenden Betrachtungen Anlaß. Der alte zerrissene Zustand dauert fort, die Anfeindungen der Andersglaubenden nehmen eher zu, als ab, die stets sich steigernde Armuth der Mehrzahl des Volks, das daraus folgende Sinken intellectueller Bildung, lassen den Vaterlandsfreund die trübesten Folgen ahnen. Mit Recht wird behauptet, wir lebten am Vorabende wichtiger Ereignisse. Unfehlbar wird der Gemeinde-Reform eine kirchliche auf dem Fuße folgen, und diese ist hier auch um so nothwendiger, als den Religionsparteien die nöthige Gleichstellung in Rechten, und das billige Abwägen der ökonomischen Mittel fehlt. Irland vereinigt auf einem Flächenraum von circa 1300 Q.-Meilen eine Bevölkerung von nahe an acht Millionen Einwohner. Davon bekennen sich fast 6 1/2 Million zur röm.-kathol., mehr, als 800,000 zur Episcopal-Kirche, mehr, als 600,000 sind Presbyterianer. Die Independenten, Dissenters, Anabaptisten etc. finden sich nur in geringer Zahl vor. Die Mittel zur Unterhaltung des Gottesdienstes, Besoldung der Geistlichkeit, Instandhaltung der Kirchen und anderer Gebäude u. s. w. sind indessen keinesweges nach diesem numerischen Verhältnisse zugewiesen. Die bei weitem größere Masse von Katholiken findet sich weder in dem Besitze so zahlreicher Gotteshäuser, als die Episkopalen im Verhältnisse inne haben, noch haben sie Anspruch an diese für ihre kirchlichen Bedürfnisse, zu denen sie umgekehrt jenen contribuiren müssen. Ebenso verhält es sich mit den Dissenters etc., welche allen kirchlichen Aufwand auf eigene Kosten bestreiten müssen; anderer Rechtsungleichheiten nicht zu gedenken.
Wie bereits erwähnt, wird die Kirchen-Reform nothwendig Folge der Gemeinde- oder Corporations-Reform seyn, wie diese durch die Emancipation der Katholiken im Jahr 1829 bedingt, oder vielmehr in dem dießfallsigen Gesetze bereits verkündiget wurde, gemäß dem durch die Organe der Regierung ausgesprochenen Grundsatze: „Gleiche Rechte für alle Unterthanen Großbritannien's und Irland's, seyen sie Katholiken oder Protestanten, sofern sie nur einem christlichen Glaubensbekenntnisse angehören." Dem Unbefangenen muß einleuchten, daß die zu erwartende Kirchenreform nur wohlthätig auf alle kirchlichen Einrichtungen wirken könne, daß namentlich das zahlreichere Glau- |Sp. 0533| bensbekenntniß des minder zahlreichen überflüssige und verödete Gotteshäuser wird in Besitz nehmen, daß seine Mitglieder und die von der Lehre der Hochkirche abweichenden Sekten fortan nicht mehr den, Brandschatzungen ähnlichen, Anforderungen dieser letztern ausgesetzt seyn dürfen; daß endlich die Geistlichkeit, auf der einen Seite bei weniger Arbeit, mit oft mehr, als ausreichlichem Einkommen ausgestattet, in diesem gleichgesetzt, das Einkommen selbst nicht mehr von Zufälligkeiten, z. B. dem Ertrage von Grund und Boden, Heirathen, Geborenwerden und Sterben, abhängig gemacht, sondern in einem festen Stocke, unmittelbar aus der Staatskasse verabreicht werde.
Die Aussicht auf diese Reform indessen setzte alle Glieder der Bevölkerung vom Höchsten bis zum Niedrigsten in Bewegung, nicht etwa in die freudige, einen so oft beklagten Zustand der Ungleichheit aufhören zu sehen; — nein! die Hauptparteien, die Episcopalen und die Katholiken sahen in ihr ein Gewitter Heraufziehen, das verheerend alle ehrwürdigen Institutionen vernichten würde. Deshalb berief man ungesäumt Versammlungen, von denen hier nur die beiden wichtigsten Erwähnung finden mögen; es sind die der katholischen Prälaten von Irland, gehalten zu Dublin am 13. Januar d. J., und die große protestantische Versammlung, unter dem Vorsitze des Marq. Downshire, gehalten ebendaselbst am 24. Januar d. J.
Erstere faßten den Beschluß (vergl. No. 10 d. Bl.) sich namentlich nicht nur mißbilligend über den Plan, die Besoldung der Geistlichkeit und die Erhaltung der Kirchengebäude durch den Staat geleistet zu sehen, auszusprechen, sondern auch mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln einer Maßregel sich zu widersetzen, die der Unabhängigkeit der katholischen Kirche und der Religion selbst so große Gefahr drohe.
Die große protestantische Versammlung, stürmisch in ihrem Verlaufe, eifersüchtig auf den Besitz von Rechten und Einkünften, von denen sie ihren Gegnern abgeben sollte, trennte sich nur mit dem Rufe: "keine Ergebung!" — Die verschiedenen Versammlungen legten in besondern Adressen ihre Ansichten und Wünsche sowohl dem Könige unmittelbar, als dem Oberhause vor, das Unterhaus übergehend, wohl wissend, daß sie damit kein Gehör finden würden.
Jene Aufregung dauerte fort, es kam vielfältig zu Neckereien und Thätlichkeiten, allein, Dank der weisen, umsichtigen Verwaltung von Lord Mulgrave, nirgend kam es zu einem Hauptschlage, der unzweifelhaft einen blutigen Bürgerkrieg würde entzündet haben.
Selbst das Parlament reichte dem Zwiste und der Aufregung häufig neue Nahrung. Die in dessen Sitzungen ausgestoßenen Vorwürfe: „Viele widersetzten sich den Reformen in Irland, um nicht ihre fetten Pfründen einzubüßen, u. dgl. m." ermunterten zu dem Festhalten am Bestehenden ob auch Veralteten, ganz im Geiste und Charakter des Inselvolkes, dem jede Neuerung, mögen auch die wohlthätigsten Folgen vor der Hand liegen, ein Gräuel ist.
Zunächst wird nun das Schicksal der im Parlamente in Diskussion befindlichen Corporationsbill auch über den Zustand der irländischen Kirche mit entscheiden, ob sie in bisheriger Weise fortbestehen, oder einer Reform unterliegen werde. In beiden Fällen läßt sich aber die Fortdauer der bisherigen Spannung voraussehen. Am ruhigsten verhielten sich in dem oft wilden Treiben die Independenten, Anabaptisten etc.; freilich würde auch ihr Auftreten kein großes Gewicht in die Wagschale gelegt, doch aber wohl dazu gedient haben, die Verwirrung zu vermehren.
† — Schon fängt das Ableben — am letzten Tage des vergangenen Jahres—(vergl. No. 10 d. Bl.) der Lady Powerscourt, der eifrigsten Beförderinn der christlichen Missionsanstalten und der Verbreitung der h. Schriften, fühlbar zu werden, ungeachtet sie für beide Zwecke reichliche Legate ausgesetzt hatte. Aber der Ertrag derselben ersetzt nicht zur Hälfte, was ihre milde Hand täglich so bereitwillig spendete. Außerdem fehlt ihr wirksames Beispiel.
(Mess.)
Siebenbürgen
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Siebenbürgen. Sehr verschieden und höchst ungenau waren die früheren Angaben der Bevölkerung Siebenbürgen's. Sicheren Nachrichten zufolge zählt Siebenbürgen in 10 Städten, 64 |Sp. 0534| Marktflecken, 2650 Dörfern 1,483,119 Einwohner. Die Katholiken haben 287, die unirten Griechen 1327, die nicht unirten 1114, die Evangelischen Augsb. Bek. 282, die Evangelischen Helv. Bek. 794, die Unitarier 120 Kirchen, die Israeliten 13 Synagogen. Die Katholiken haben zu Clausenburg ein akademisches Lyceum mit 11 Professoren, und 9 Gymnasien. Der katholischen Schulen Oberaufseher ist gegenwärtig Se. Exz. der Siebenbürger katholische Bischof, Hr. Nikolaus Novais. Die unirten Griechen haben ein bischöfliches Lyceum zu Blasendorf mit 9 Professoren und ein Gymnasium. Die Evangelischen Helv. Bek. (Calviner oder Reformirten) haben ein Collegium zu Hagy Enyed mit 7, zu Clausenburg mit 5, zu Neumarkt mit 6, zu Udvarhely mit 5 Professoren nebst 4 Gymnasien. Die Evangelischen Augsb. Bek. ein Gymnasium zu Hermanstadt mit 15, zu Cronstadt mit 10, zu Mediasch mit 9, zu Schäßburg mit 6, und zu Pistritz mit 3 Professoren. Die Unitarier haben ein Collegium zu Clausenburg mit 10 Professoren, nebst 2 Gymnasien zu Torda und Keresptur.
Böhmen
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Prag. Man kann vielleicht bloß noch von italienischen Städten eine Ausnahme machen, sonst findet die Hauptstadt Böhmen's kaum ihres Gleichen, welche so viele und prachtvolle Denkmäler frommen Sinnes aufzuweisen hat. Darunter nehmen ihre zahlreichen Standbilder — dem größern Theile nach durch vollendete Kunst ausgezeichnet, sowie durch ihren Gegenstand ehrwürdig , einen ausgezeichneten Platz ein. Man schien sich bis jetzt zu begnügen, sie als Andenken an die gute Vorzeit zu erhalten; aber gegenwärtig sollen sie die Gelegenheit darbieten, öffentlich ein Zeugniß abzulegen, daß man die heilige katholische Religion auch in ihrem Aeußern mit der Begeisterung, welche sie nur zu sehr verdient, und welche ihr unsere indifferenten Vage streitig zu machen droheten, zu ehren versteht. Es ist daher der Entschluß gefaßt, welcher den nächsten Sommer in Ausführung kommen wird: alle Standbilder auf das Prachtvollste zu renoviren.
Demselben guten Geiste hat es Prag zu verdanken, daß wieder zwei Kirchen geöffnet werden, und dieses zwar mit einem bedeutenden Kostenaufwande. Die eine wurde geschlossen, bevor sie noch im Innern ganz ausgebaut war. Sie ist dem h. Martyrer Laurentius geweiht, und ziert einen Bergvorsprung, welcher die ganze Stadt beherrscht. Die zweite ist der h. Katharina geweiht. Sie wird den Irren, welche in dem dazu gehörigen Augustiner-Klostergebäude untergebracht sind, und die Abtheilung der Reconvalescenten und der Ruhigeren bilden, zum Gebrauche eingeräumt werden.
— In einigen Wochen wird wieder eine Kleinkinderbewahranstalt eröffnet werden. Da nun ihre Anzahl in der Hauptstadt selbst bedeutend ist, und dieselben auch in den andern Städten allmählich in's Leben treten, so geht man mit dem Plane um, für sie eine Central-Direktion zu bilden, welche es sich zum Zwecke machen wird, für ihre Vermehrung und Vervollkommnung Sorge zu tragen.
— Die Israeliten-Gemeinde hat nach heftigem Widerspruche einer Partei, welche den Glauben ihrer Väter dadurch gefährdet sah, eine Kleinkinderbewahranstalt für ihre Glaubensgenossen zu Stande gebracht. Der andern, den Bedürfnissen der Zeit sich mehr anschmiegenden Partei ist es auch gelungen, seit dem neuen Jahre in der einen Synagoge neue, von einem hiesigen Theatermusikus componirte Gesangweisen einzuführen.
Budweis. Schon lange bedauerte man es, daß in den neuen Auflagen der Evangelienbücher die Evangelien und Episteln auf alle Tage in der Fasten ausgelassen wurden; dieses bewog das hochwürdigste Ordinaritat, dieselben besonders böhmisch und deutsch abdrucken zu lassen, und den Gläubigen zu vertheilen. Das Unternehmen fand so großen Beifall, daß auch von den übrigen böhmischen Diöcesen bedeutende Bestellungen geschahen. — Die Diöcese Budweis zählte wohl noch nie so wenige Sterbfälle unter ihrem ehrwürdigen Klerus, als im Jahre 1836, indem nur elf in dem Herrn entschlafen sind, und unter diesen war wieder keiner ein Opfer der auf vielen Punkten grassirenden Cholera, obschon sie sich überall mit der heldenmüthigsten Aufopferung dem Dienste der Kranken widmeten.
(Bemerker)|Sp. 0535|
* Die christliche Kirche im Gebiete der französischen Gesetzgebung.
Von
Rudolph
Frank
, evangelischem Pfarrer zu
Alzey
in Rheinhessen.
Die Gesammtheit der Bekenner des Christenthums, die in Jesu ihr Heil gefunden zu haben glaubt, diese moralisch-religiöse Gesellschaft, welche den Zweck hat, Weisheit und Tugend unter ihren Mitgliedern zu fördern, und die diesen Zweck von ihrem Stifter herleitet, nennt man die christliche Kirche. Anfangs klein und verachtet und ohne bindende Regulative, fing sie bald an, sich zu entwickeln und zu ordnen, rückte dann unter inneren und äußeren Veränderungen vor, schritt durch die wechselnden Perioden der Jahrhunderte fort, bis sie in diesem Zeitalter eine ausgedehnte und weitverbreitete Gesellschaft geworden ist, die nicht bloß den Raum von Europa einnimmt, sondern auch stellenweise in die angränzenden Erdtheile eindrang, und selbst über das Meer hin zu entlegenen Gestaden sich verbreitet hat. Indessen ist diese Gesellschaft kein zusammenhängendes Ganze, und nach gleichmäßigen Normen verfaßt, sondern sie ist theils fester, theils lockerer verbunden, theils näher, theils entfernter sich stehend, theils ganz getrennt und abgesondert.
In diesem Sinne kann man auch von Kirchen in der Mehrheit reden, insoferne sich einzelne Theile der Christenheit durch eigenthümliche Lehren, Gebräuche und Verfassungen unterscheiden, und daher für sich bestehen. So gibt es eine griechisch- und römisch-katholische, eine lutherische und reformirte Kirche, nebst noch mehreren kleinen Religionsgesellschaften, welche zusammen genommen den Universal-Begriff der christlichen Kirche bilden. Welche Stellung jedoch die Kirche im Staate und zu dem Staate einnimmt, und wie das Verhältniß der beiderseitigen Gewalten zu einander beschaffen ist, diese Frage ist nicht allein von jeher sehr schwankend und schwierig gewesen, sondern auch bis jetzt noch immer nicht entschieden. Allerdings war es ganz folgerichtig und so gar widersprechend nicht, daß man die Kirche unabhängig vom Staate zu machen suchte, daß man nicht allein jede Einwirkung der Staatsgewalt auf den Zustand der Kirche ablehnte, sondern sogar verlangte, daß die kirchlichen Grundsätze zu Elementen der Staatsgesetze gemacht würden, sobald man von der Idee ausging, die Kirche sey eine göttliche Anstalt, solle zur Verbreitung reiner Lehren und reiner Sitten unter den Menschen thätig seyn, beruhe auf göttlicher Autorität und müsse deshalb alle menschlichen Autoritäten beherrschen, sey in ihrem Wesen unwandelbar, und müsse deshalb sich über das Wandelbare aller menschlichen Einrichtungen erheben. Diese Consequenz hat das hierarchische System nicht bloß gezogen, sondern auch geltend gemacht, indem es sich im Mittelalter zu einer ungeheuern Gewalt emporschwang, indem es das Kirchenregiment zum Gottesregiment machte, und daher jedes Menschenregiment als untergeordnet ansah, indem es gleichsam den höchsten Willen repräsentirte und eine wahre Diktatur ausübte, vor welcher Kronen und Throne als Vasallen sich beugen mußten, und wodurch die Staaten und Reiche feudal wurden.
Dieses System nun haben die Protestanten verworfen, indem sie eines Theils sich durch die Machtsprüche dieser geistlichen Obervormundschaft in allen Angelegenheiten des Glaubens und der kirchlichen Disziplin beengt und beklemmt fühlten, und daher Freiheit des Gewissens zu fordern anfingen, andern Theils aber es für ebenso unpassend als anmaßend hielten, wenn das Kirchenregiment, das eine ganz andere Sphäre hat, sich in Angelegenheiten des Staates mischen wollte. Seit dieser Zeit ist das hierarchische System gefallen, und selbst katholischer Seits hat man angefangen, zwar nicht das Primat des Papstes, als Oberhaupt der Kirche, zu läugnen, sondern nur so viel einzuräumen, daß ihm die weltliche Gewalt nicht absolut unterthänig seyn müsse.
Wohl fühlend, daß die Kirche ihr Eigenthümliches habe, welches nicht mit den Angelegenheiten des Staates amalgamirt wer- |Sp. 0536| den könne, versuchte man diese Frage dadurch zu lösen, daß man annahm, die Kirche sey selbstständig im Staate, habe ihre eigenthümliche Gestalt und Verfassung, gehe ihren eignen Gang, und gehorche nur der Kirchengewalt, unbekümmert um den Staat und dessen Organisation, der auch separat seine Zwecke verfolge, und wo Kirche und Staat kollidirten, sich gegenseitig reprimirten, ohne sonst Etwas mit einander gemein zu haben. Aber die Realität dieser Idee läßt sich gar nicht folgerichtig durchführen, ohne auf große Schwierigkeiten zu stoßen. Denn einmal würde, wenn die Kirche ein unabhängiger Staat im Staate seyn sollte, eine solche Disharmonie zwischen beiden entstehen, daß der Staat die Zwecke der Kirche und umgekehrt die Kirche die Zwecke des Staates hindere und aufhalte. Sodann stehen auch beide in gewissen Punkten in so nahen Berührungen, daß weder der Staat die Kirche noch die Kirche den Staat gänzlich entbehren und ausschließen kann. Und endlich lassen sich zwei Gewalten, nämlich eine weltliche und geistliche eine Gewalt mit gleichen Rechten nicht denken, ohne daß die Eine gegen die Andere streitet und zuletzt sie ganz beherrscht und unterdrückt. Also auch diese Meinung kann nicht wohl angenommen werden, wenn das Verhältniß der Kirche zum Staate bestimmt werden soll.
Diese Schwierigkeiten lassen sich jedoch am besten vermeiden, wenn man folgendes erwägt. Der Staat ist ein Verein zur Erreichung der menschlichen Wohlfahrt, die Kirche macht einen Theil dieser Wohlfahrt aus und erscheint also auch als ein Theil des Staates. Der Staat hat daher die Kirche in seine Zwecke aufzunehmen, und daraus folgt, daß der Staat die Kirche zu beschützen und zu beaufsichtigen, die Kirche aber ihre Gewalt nur aus den Händen des Staates empfangen kann, in Betreff der Lehre und der Gebräuche aber frei ist. In der protestantischen Kirche ist der Landesherr als solcher oberster Bischof und vereinigt in sich die oberste Staats- und Kirchengewalt, von ihm gehen daher auch die Kirchenverordnungen aus, wie die Regulative für den Staat. Von ihm werden die Kirchenbeamten angestellt und überwacht, wie jene des Staates. Staat und Kirche wirken harmonisch zusammen. Da aber in einem Staate mehrere herrschende Kirchen bestehen können, und der Landesherr als oberster Bischof auch zu einer andern Confession sich bekennen kann, als zu der protestantischen, weßhalb man auf die Frage kommen könnte, ob ein katholischer Fürst wohl auch zugleich evangelischer Bischof seyn könne, so übt er die kirchliche Gewalt durch protestantische Consistorien und Kirchenrathskollegien aus, behält sich nur das Recht der Genehmigung vor und begleitet deren Beschlüsse und Anordnungen mit der landesherrlichen Gewalt.
Uebrigens kann es nicht fehlen, daß, weil alle jene Staaten, über welche die Kirche sich erstreckt, in ihren Verfassungen nicht gleichförmig, sondern oft wesentlich verschieden sind, auch die protestantische Kirche, wo sie dieselben berührt, wenn nicht gerade materiell doch wenigstens formell verschieden seyn kann. Das Materielle, ist die innere Beschaffenheit des Lehrbegriffs, sowie überhaupt alle jene Grundsätze, welche die protestantische Kirche geboren haben. Diese können in jedem Staate bestehen, und mit allen Institutionen fortkommen. Nur das Formelle, nämlich die äußere Gestalt der Kirche nicht. Diese ist vom Staat umgeben, und in die Zwecke des Staates aufgenommen. Der Kirche ist das Gepräge des Staates aufgedrückt. Daher ist es irrig, wenn man von einer allgemeinen evangelischen Kirche spricht, da sie fast in jedem Staate ihre eigene formelle Färbung angenommen hat. Man sollte nur von einer Landeskirche reden. So ist im Norden von Europa, namentlich in England, Schweden und Norwegen, die Episkopal-Verfassung, in Deutschland mehr das Territorialsystem, in andern Staaten, wie in Nordamerika, eine gänzliche freie Synodal-Verfassung, und in einigen Ländern, wie in Holland, eine Art republikanischer Form die herrschende Regierungsweise der protestantischen Kirche. Und es ist nicht zu verkennen, diese Formen haben entweder ihren Ursprung in geschichtlichen Momenten, oder in bloßen Zufälligkeiten und Observanzen, oder in den Institutionen der Staaten, mit denen sie harmoniren und an die sie sich anschließen mußten.
Hiernach ist es erklärlich, daß auch die christliche Kirche, so wie besonders die protestantische, im Gebiete der französischen Gesetzgebung ihre eigene Gestalt hat. Der Ursprung dieser Legislation ist bekannt. Als die Strudel der französischen Revolution anfingen zu gähren, alte Privilegien, namentlich in Beziehung |Sp. 0537| auf Adel und Geistlichkeit, abzuschaffen, und die frühere Staatsidee gänzlich zu reformiren, auch in Beziehung auf Staatsrecht und Menschenwerth neue oft sehr überraschende Grundsätze aufzustellen und zu verbreiten, da wurde auch die alte Autorität der herrschenden Kirche heftig angegriffen, und beinahe gänzlich umgestoßen, so daß die Sonntage vom siebenten auf den zehnten Tag verlegt, der alte Gott quiescirt, und statt dessen die Verehrung eines unbestimmten höchsten Wesens eingeführt wurde. Bei solchen enormen Veränderungen in den Grundsätzen über Angelegenheiten des Staates und der Kirche war es Bedürfniß der Zeit, daß Frankreich eine ganz neue Organisation empfing. Dieses wurde unter der Regierung des Kaisers Napoleon realisirt. Auf kaiserliche Anordnung trat ein Collegium von Rechtsgelehrten zusammen, um ein allgemeines Gesetzbuch über den Civilstand die gerichtliche Procedur und die criminellen Strafen zu entwerfen, welches, nach sorgfältiger Revision, in allen Theilen des französischen Gebietes eingeführt wurde, und seitdem als Norm für das gesammte bürgerliche und kirchliche Leben gegolten hat. Die Schwierigkeit eines solchen Unternehmens haben die Verfasser desselben wohl gefühlt, indem sie selber das Bekenntniß ablegten, es lasse sich kein positives Gesetz denken, das nicht Modifikationen nach dem Bedürfnisse der Zeit und dem Einverständniß des Volkes unterliege. Sie haben den Staat als eine Anstalt für das bürgerliche Leben, und als einen Verein zur Erreichung der menschlichen Wohlfahrt betrachtet. Sie sind dabei von der Idee ausgegangen, daß die herrschenden Kirchen mit dem Staatszweck harmonisch zusammenwirkten, und deshalb den Schutz des Gesetzes zu genießen haben müßten. Sie haben das Eigenthümliche der katholischen, das Unterscheidende der protestantischen Kirche anerkannt, beiden freie Religionsübung zugesichert, und übrigen Kirchengemeinschaften Duldung gestattet, ohne jedoch den regellosen Einfällen der Schwärmerei und des Separatistenwesens Vorschub zu leisten. Und weil Staat und Kirche in ihren Verfassungen sich wesentlich von einander unterscheiden, so haben diese Gesetzgeber eine genauere Sondirung vorgenommen, und daher verordnet, daß der Staat seine Funktionen separat von der Kirche, und die Kirche ihre Funktionen separat vom Staate ausübe, ohne daß jedoch das jus circa sacra verschwand. Daher hatte der Maire zuerst die bürgerlichen, dann der Pfarrer die geistlichen Verrichtungen. In die Civilstands-Register kamen die Akte des Staates; in die Kirchenprotokolle die Handlungen der Kirche. Die Geburt eines Kindes wurde als Eintritt in den Staat; die Taufe als Eintritt in die Kirche betrachtet. Die Trauung geschah doppelt, die erste vom Maire unter Vorlesung des Artikels über die bürgerlichen Pflichten der Ehe aus dem Code, worauf erst die kirchliche Trauung folgen durfte u. s. w. Nicht so vermischt wie in Deutschland und andern Ländern Europa's, sondern von einander separirt, erscheinen Staat und Kirche im Gebiete der französischen Gesetzgebung.
Nicht so ist es jedoch mit der gerichtlichen Procedur. Diese erstreckt sich gleichmäßig über den Staat und über sämmtliche Kirchen des Staates, sammt den Dienern derselben. In deutschen Staaten gilt meistens noch die Schriftsässigkeit in der gerichtlichen Verfassung. Der Beamte erscheint als Beamter, der Geistliche als Geistlicher, der Bürger als Bürger vor dem ihm zustehenden Gerichte. Nicht so im Gebiete der französischen Gesetzgebung. Hier ist vor dem Gesetze Alles gleich. Hier sind die Vorrechte und Privilegien abolirt und die weltlichen so gut wie die geistlichen Stände haben denselben Richter, dasselbe Gesetz, dieselbe Entscheidung. Diese absolute Gleichstellung hat bei allem Guten, das unstreitig damit bezweckt wird, gewiß auch manches Mißliche, und darum auch manchen Tadel erfahren müssen. Denn wie die Stände im bürgerlichen Leben ungleich sind, so haben sie auch in ihren Verhältnissen und Stellungen manches Eigenthümliche, was nicht unberücksichtigt bleiben sollte. Es ist für die Bürger Manches recht, was für den Beamten und Geistlichen nicht recht ist. Und wenn auch die französische Gesetzgebung solche Verhältnisse nicht überging, so ist doch das Reich der möglichen Fälle, die vorkommen können, viel zu groß, als daß sie alle hätten vorgesehen werden können. Diesem Umstande abzuhelfen ist dem Ermessen des Richters ein gewisser Raum gegeben, innerhalb dessen er sich bewegen kann; aber es sind auch in dieser Einrichtung selbst die Gränzen angegeben, wo diese Unterscheidungen des Standes aufhören müssen. |Sp. 0538| Dieses Mißliche wird noch dadurch gehoben, daß die französische Procedur eine öffentliche und mündliche ist. Die Richter und die Staatsbehörde, die Vorträge und die Gefechte der Anwälte sind öffentliche Personen und Handlungen, deren Augenzeugen das große Publikum seyn darf, und wozu es freien Zugang hat. Ebenso sind auch die streitenden Parteien vor die Augen der neugierigen Menge hingestellt. Wenn es auch eine schöne Idee ist, die Gerichtsbarkeit unter die Controlle der Interessenten und des Publikums gebracht zu sehen, wie es auch Vertrauen erweckt auf den gerechten Gang der gerichtlichen Verhandlungen, wenn Jedem das Recht der eigenen Ueberzeugung gestattet ist, so kann doch diese Ordnung dem Wohle der Kirche und ihrer Diener unmöglich ersprießlich seyn. Es gibt Fälle genug, wo der Geistliche schon seines Berufes wegen in manche zarte und unzarte Berührungen kommt, Fälle genug, wo er genöthigt ist, um sein Ansehen zu schützen und sein Recht zu behaupten, wenn er zumal mit rohen und böswilligen Menschen zu thun hat, die Hilfe des Gerichtes in Anspruch zu nehmen. Aber es möchte keinen Augenblick zu bezweifeln seyn, daß er, selbst im Gefühle seiner gerechten Sache, lieber sein Recht aufgibt, und die Rohheit über sich siegen läßt, als daß er vor den Schranken des Gerichts und vor den Augen des schaulustigen Publikums erscheint, und sich den Einfällen und Ausfällen der anwaltlichen Mund-Gefechte aussetzt, welche es im Fluß der Rede mit dem Stande so genau nicht nehmen, und oft nur zur Ergötzlichkeit der horchenden Menge dienen. Auch ist der Volksgeist im Gebiete der französischen Gesetzgebung verwöhnter und muthwilliger, tritt kecker hervor und erlaubt sich im Vertrauen, daß er Alles vor Gericht bringen könne, weit mehr, als es überhaupt in Deutschland geschieht. Der Franzose und französisch Gesinnte ist leichtsinnig und frivol und macht sich überhaupt nicht soviel aus Kirche und Geistlichen, hat daher auch weniger Sinn für die Ehre und Würde des geistlichen Standes und kann daher auch leichter die Fähigkeit haben, ihm durch die französischen Institutionen zu schaden. So erscheint die Stellung der christlichen Kirche nicht bloß im Inneren von Frankreich, sondern auch in allen jenen Theilen, welche ehemals französisch waren und durch die Länderabtheilung an baierische, hessische und preußische Hoheit gekommen sind.
* Von dem Einfluß der Emanzipation auf den Cultus.
Von
Simon
Bloch
, Herausgeber der Zeitschrift:
La Régénération
, in Straßburg.
Betrachten wir den Stillstand, welcher sich in den religiösen Einrichtungen der französischen Juden zu beurkunden scheint, so drängte sich uns leicht der Gedanke auf: die Emanzipation sey wohl dem Entwickelungsgange des Cultus hinderlich, hemme dessen Fortschreiten. So absurd ein solches Urtheil auch wäre, so ließe es sich doch leicht durch sprechende Thatsachen unterstützen, indem eine fast funfzigjährige Dauer der Verhältnisse, welche in dieser Hinsicht, mit Ausnahme unbedeutender Aenderungen, die Synagogenform so gelassen hat, wie diese solche gefunden, dafür spräche, besonders da in anderen Ländern die Synagogen vielfältige Umgestaltungen erfahren haben. Allein zunächst darf man nur den Unterschied der Gefühle und diese sind es ja, welche das Lebenselement des Gottesdienstes bilden — soweit der Israelit der frühern Zeiten die Synagoge betrat, mit denen der Gegenwart vergleichen, um eine unermeßliche Veränderung wahrzunehmen! Wir besuchen die Synagoge nicht mehr, um da über äußern Druck zu klagen und Entschädigung für die herbesten Verluste an Lebensfreuden zu suchen; wir flüchten uns nicht mehr in das Gotteshaus um den Verfolgungen der Menschen zu entgehen, und den Schutz des Himmels zu erflehen; wir dürfen unsre Synagogen besuchen, um den Gott unsrer Väter ungestört, nach israelitischem Brauch, anzubeten, und unsre Seele mit denjenigen Gebräuchen zu erbauen, welche seit Jahrtausenden ihre Weihe und religiöse Bedeutung behaupten. |Sp. 0539| Allerdings hat die gänzliche Vertilgung aller Spuren religiöser Verfolgungen die Wirkung, daß wir nicht mehr ein spähendes Auge fürchten, welches unsre Gebete, wie vormals, belausche, um uns der Hostienentweihung, oder einer Schmähung der Regierungen und anderer Kirchen anzuklagen, daß wir daher auch minder ängstlich eine Färbung des Cultus beibehalten, welche ein höheres Alter verräth, und daß wir minder besorglich sind, unsern Gottesdienst einer beurtheilenden Mitwelt verständlicher und zugänglicher zu machen. Aber gerade dieß ist vielleicht ein großer Fortschritt zu nennen, daß wir eben uns noch nicht bewogen finden, um der Ausgleichung äußerer Verhältnisse willen, die ehrwürdigen Denkmäler der Vorzeit voreilig abzutragen, vielmehr uns noch in diesen heimisch finden, obgleich wir in allen weltlichen Anegelenheiten mit der Zeit fortgehen.
Wir wollen aber hiemit zugleich darauf hinweisen, daß so manche Vorschläge zu Reformen in andern Ländern öfters das Gepräge einer gänzlichen Verläugnung des Judenthums an sich tragen, und auf alle Weise beurkunden, wie sehr sie lediglich dem Wunsche, alles Eigenthümliche abzustreifen, ihre Entstehung verdanken; Vorschläge, denen sich die Synagoge nicht fügen kann und darf, und denen sie am wenigsten da ein williges Ohr leihet, wo ihr Bestand durch die Gesetze des Landes gesichert ist. Sie läßt natürlich nur ein Fortschreiten innerhalb ihrer eigenen Sphäre zu, innerhalb ihrer Lehre und stehenden Ordnung, und gestattet der äußeren Welt so wenig Einfluß, als möglich, auf ihre innere Angelegenheiten. Dieß Fortschreiten wird daher bei uns äußerlich immer nur unvermerkt vor sich gehen, während der Geist oder vielmehr das Gemüth, durch das Bewußtseyn politischer Freiheit gestärkt, einen höhern Grad von Kraft und Tugend erlangt, die an den religiösen Uebungen noch mehr erstarkt, weil sie in ihnen eben nichts weiter findet als Befestigungsmittel der wahren Religiosität. Man wird dieß als bewährt betrachten müssen, wenn man bedenkt, daß in Paris allein an vierzig religiöse Blätter erscheinen, was wohl zur Genüge darthut, daß die religiösen Angelegenheiten, nicht minder als die politischen, bei der großen Masse des Volkes Interesse und Anklang finden, und daß die Religion im Allgemeinen nicht durch den Strudel der Politik in den Abgrund gezogen worden. Und eben so steht es bei den Israeliten; ihre Einrichtungen erhalten sich fest, unter der Leitung verständiger Consistorien. Langsam und bedächtig geht der Kultus seinen gewohnten Gang, und befriedigt diejenigen, welche nicht fortwährend Veränderung suchen; er wird aber dessenungeachtet allmählich darthun, daß er die Fortschritte der Bildung und die mit dieser sich nothwendig entwickelnden Bedürfnisse, nicht außer Augen gelassen hat.
Rede bei der Einweihung der israelit. Synagoge zu Diese Rede ist bei dem Verfasser dieser Anzeige für 12 kr. zu haben. Der Ertrag ist einem wohltätigen Zwecke bestimmt.Hoppstätter, gesprochen von dem Staatsrath Fischer, als Vorstand der großherzogl. oldenburg. Regierung des Fürstenthums Birkenfeld.
Beurtheilt vom Oberlehrer Dr. M. Heß.
Hr. Staatsrath Fischer, einer jener edlen Beamten, die, beseelt vom Geiste der Gerechtigkeit und Humanität, jedem, der die Pflichten des Bürgers erfüllt, auch die Rechte des Bürgers zuerkennen, hat, als Vorstand der Regierung zu Birkenfeld, sich um die dortigen Israeliten, die sich der ungeschmälerten bürgerlichen Rechte erfreuen, wie sie solche unter der französischen genossen, durch Anstellung eines wissenschaftlich gebildeten und auf der Höhe der Zeit stehenden Rabbiners und geprüfter Schullehrer, um die geistige und sittliche Vervollkommnung derselben Verdienste erworben, für welche die isr. Gemeinden durch bereitwilliges Ent- |Sp. 0540| gegenkommen sich dankbar erwiesen. In der vorliegenden Rede spricht Hr. Staatsrath F., als Organ eines der edelsten deutschen Fürsten, die Gesinnungen einer erleuchteten und gegen alle ihre Staatsangehörigen väterlich gesinnten Regierung aus, und schließt mit herzlicher Ermahnung der beiden Confessionen zur gegenseitiger Liebe und Achtung. Einige Stellen mögen hier Platz finden: "Als des Schicksals Fügung dieses kleine Landesgebiet dem erlauchten oldenburgischen Fürstenhause zuwandte, da geboten die Verhältnisse manche Aenderungen in Verfassung und Gesetzen. Mit menschenfreundlichem Zutrauen fand in Hinsicht auf die jüdischen Bewohner nur eine Aenderung statt. Das Gesetz der kaiserlichen Regierung vom 17. März 1818 ward aufgehoben. Die ungeschmälertste bürgerliche Gleichheit blieb auch. Einer der Eurigen ward Angestellter bei der höchsten Verwaltungsstelle, und als körperliche Zustände ihn dienstunfähig machten, da fragte der gütige Landesherr nicht: ob der Mann Jude oder Christ, sondern ob er ein treuer Diener gewesen sey, und dieses Zeugniß gewährt ihm noch heute den Bezug des unverkürzten Gehaltes."
"Die Religionslehre der Juden ist keine Geheimlehre. Sie beruht auf den Schriften des Alten Testaments und spätere Ueberlieferungen der Rabbiner, d. h. der Religionslehrer. In ihrer richtigen Auslegung enthält sie Sitten- und Tugendlehren, die nirgends den Gesetzen des Staates und der Sittlichlichkeit widerstreiten, daß aber der Verstand der isr. Glaubensgenossen erhellt, ihr Gemüth gebildet werde, um die Satzungen ihrer Lehre mit verständigem Geist und einem für das Rechte und Gute empfänglicher Herzen aufzufassen, liegt in der Pflicht eines jeden Regenten, dem die Förderung der höhern Zwecke der Menschheit am Herzen liegt."
* Katholische Würdigung eines protestantischen Predigtwerkes.
Homiletisches Magazin über die sämmtlichen für die evangelisch-protestantische Kirche des Großherzogthums Baden neubestimmten evangelischen und apostolischen Perikopen, sowie über die Passionstexte. Bearbeitet von Carl Friederich Wilhelm Paniel, zu Ziegelhausen bei Heidelberg. Erster Theil. — Zweiter Theil. Heidelberg, Druck und Verlag von Karl Groos. 1836. Groß-Oktav.
Dieses Werk gehört der protestantischen homiletischen Tages-Literatur an, und die Beurtheilung desselben bleibt daher füglich auch protestantischen Richtern überlassen. Ob diese über den Werth desselben die Ansicht des nicht wenig davon durchdrungenen Verfassers, der irgend einer der neuern Rationalisten-Schulen anzugehören scheint, zu theilen geneigt seyn werden, wird der Erfolg zeigen. Der bescheidene Verfasser äußert sich indessen über diese seine Schrift, die auch durch einen besondern zweiten Titel, als "Homiletisches Magazin über ausgewählte Stellen des Neuen Testaments, u.s.w." bezeichnet ist, Seite IX des Vorworts, nachdem er zuvor bemerkt, daß solche vornehmlich zum Gebrauche jüngerer protestantischer Geistlichen bestimmt sey, in folgender Weise: „Ich erlaube mir aber, dieselbe auch ältern Geistlichen zum Gebrauche anzubieten; ich hege sogar die Hoffnung, daß sie auch für Die Werth haben könne, welche weder der protestantischen Kirche Baden's, noch der evangelischen Kirche überhaupt angehören, und bitte die Beurtheiler dieser Schrift, sich hierüber auszusprechen." — Also sollen auch wohl die Katholiken, nach des Verfassers Meinung, seiner Predigt-Entwürfe sich erfreuen, über welche, da sie, dem Scheine und den Ueberschriften nach, auf Texte der heil. Schrift gegründet seyn sollen, der aufgeklärte Verfasser, mit mitleidvollem Blicke auf jene, die sich nicht zu gleicher Höhe rationalistischer Erleuchtung aufgeschwungen haben, S. XVII des Vor- |Sp. 0541| worts, die merkwürdige Versicherung ertheilt, „es sey, wie er aus eigner Erfahrung wisse, für den Drittern (sic!) nicht immer leicht, die geistigen Fäden aufzufinden, durch welche die Entwürfe mit dem Texte zusammenhängen." Um nun auf der einen Seite, dem Wunsche des Verfassers, daß man sich über sein zu Gunsten auch derjenigen, welche der evangelischen Kirche überhaupt nicht angehören, geschehenes Anerbieten aussprechen möge, zu genügen, auf der andern Seite aber dem Katholiken, welcher etwa jenes Anerbieten zu benutzen geneigt seyn dürfte, einen Vorschmack zu geben, welche geistvolle und echtchristliche Belehrung er sich von der universellen Meisterschrift zu versprechen habe, theilen wir hier, zur Probe, das S. 237 des zweiten Theiles vorkommende Predigt-Thema mit, welches sich unter den Predigt-Entwürfen auf das Reformationsfest findet:
"X. Einige von den Vorzügen der evangelischen vor der römisch-katholischen Kirche.
1) Jene läßt der Gebrauch der Vernunft frei —diese beschränkt ihn übermäßig.
2) Jene theilt das Christenthum unverstümmelt mit — diese entzieht dasselbe den Gläubigen zum Theil, und benutzt es zu unlautern Zwecken.
3) Jene hat die kirchlichen Gebräuche in ihrer ursprünglichen Einfachheit nach Christi Einsetzung beibehalten — diese hat sie zum Theil willkührlich umgebildet und ihnen eine falsche Deutung gegeben.
4) Jene erkennt in Christus ihr einziges Oberhaupt an, und verweis't die Menschen auf die Aussprüche ihres Gewissens und des Evangeliums — diese hat sich von den Machtsprüchen eines einzelnen Menschen abhängig gemacht, und unterwirft die Gläubigen den willkührlichen Aussprüchen der Priesterschaft überhaupt.
5) Jene will nur eine Herrschaft des Geistes und der Frömmigkeit — diese auch eine weltliche Gewalt.
6) Jene verheißt jedem Frommen schon um seiner Frömmigkeit willen den Himmel — diese macht die Erlangung der ewigen Seligkeit zugleich von dem Willen des Priesters abhängig."
In der dem ersten Theile vorgedruckten Zueignung an den Prälaten Hüffell, sagt der Verf.: "Nachdem ich mich schon früher zum öftern Ew. Hochwürden mir geneigten Gesinnungen zu erfreuen hatte, haben mich Dieselben im Laufe dieses Jahres mit einem Beweise von Dero Wohlwollen beehrt, welcher schon um seiner außergewöhnlichen und an sich wichtigen Veranlassung willen zu dem größten Danke verpflichtet." Worin dieser ungemeine Beweis von Wohlwollen bestanden habe, sagt der Verfasser nicht, und ohne Zweifel kann auch dieß für niemand Interesse haben, ausgenommen für ihn selbst und den Prälaten. Man denke sich aber, unter tausend Möglichkeiten, den Fall, Hr. Paniel wäre, durch einflußreiche Empfehlungen, seinem jetzigen engern Wirkungskreise entrückt, und in eine bedeutendere Stelle versetzt worden, und ließe nun etwa von einer protestantischen Kanzel in Wien, oder in irgend einer andern Hauptstadt, die obenangeführte nur im Entwurfe angedeutete Weisheit, mit der ihm eigenen Begeisterung, weitläufiger erschallen, — welche edlen Früchte der Erkenntniß und des Friedens würden dann solche Homilien nicht tragen, welcher Segen würde nicht auf denselben ruhen! Die alten Kirchenväter, über welche wir dem in dem Vorwort, Seite XI verheißener besondern, bereits angefangenen Werke, welches der Verfasser "der historischen Seite der christlichen Kanzelberedsamkeit zu widmen beabsichtigt," ohne Zweifel viele bisher unerhörte Belehrungen zu verdanken haben werden, hatten sich freilich anderer Thematen bedient, dafür aber standen sie auch in der Dunkelheit ihrer Jahrhunderte noch nicht auf jener Höhe des Rationalismus, auf welcher der würdige Paniel als Stern, wenn auch nicht gerade erster Größe, in so heiterm Lichte glänzt.
Da wir nun aber, wie oben bemerkt, auf eine bloße Anzeige uns beschränkend, die Beurtheilung des „Homiletischen Magazins u. s. w." protestantischen Richtern anheimgeben wollen, so möge hier, zum Schlusse dieser Anzeige, nur noch ein Predigtthema stehen, welches S. 368 des zweiten Theiles, unter den Predigtentwürfen für den Gründonnerstag vorkommt, und durch welches der Verfasser gewissermaßen, als Selbstrezensent, in Beziehung auf seinen früher angeführten Entwurf und andere in dem gleichen Geiste verfaßte Entwürfe den Standpunkt bezeichnet, von welchem aus seine Angriffe auf das, was vielen andern Menschen heilig ist, zu betrachten sind:
XVI. Von dem Spotte über das Heilige.
1) Dieser Spott kann nur aus einem rohen und gefühllosen, oder aus einem völlig verwilderten Herzen entspringen.
2) Derselbe kann nur Schlechte erfreuen, während er Bessern ein Gräuel ist.
3) Derselbe hat zwar zu Zeiten und für eine Zeitlang Böses gestiftet, hat aber das Wahre und Gute niemals auf die Dauer zu unterdrücken vermocht.
4) Derselbe verdient die ernsteste und strengste Zurückweisung von Seite jedes Wohldenkenden.
5) Derselbe macht den Menschen höchst strafbar, da er von dem größten Undank gegen Gott und Christum zeugt, da er die menschliche Würde herabsetzt, und die Ausbreitung des Reiches Gottes beeinträchtigt.
A.
(34) Im Verlage der unterzeichneten Buchhandlung:
Schriften der Neuen Kirche.
(Kleine Bibliographie mit Auswahl)
A. Für gedrängten Ueberblick.
1) Was bringt die Neue Kirche? von L. Hofaker (Pr. 9 kr. oder 2 gr.) — 2) Richer, Sittengesetz und Offenbarung (Pr. 40 kr. oder 9 gr.) — 3) Noble, Dreifaltigkeit, Wiedergeburt und Werke (Pr. 24 kr. oder 6 gr.) — 4) Heilig Jerusalem, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 24 kr. oder 6 gr.) — 5) Die Grundlehre der Neuen Kirche, nach Swedenborg von Hofaker. 1. Abtheilung (Pr. 1 fl. oder 14 gr.) — 6) Swedenborg, Doctrina de Domino (Pr. 40 kr. oder 9 gr.) — 7) Id. Doctrina de Scriptura Sacra (Pr. 33 kr. oder 8 gr.) — 8) ld. Doctrina de Fide (Pr. 12 kr. od. 3 gr.) — 9) Id. Doctrina Vitae (Pr. 24 kr. od. 6 gr.)
B. Für tieferes Eingehen.
1) Der Verkehr zwischen Seele und Leib, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 54 kr. od. 12 gr.) — 2) Der Himmel mit seinen Wundererscheinungen, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 2 fl. 36 kr. od. 1 Thlr. 12 gr.) — 3) Die Neue Kirche des HErrn, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 56 kr. oder 13 gr.) — 4) Die Christenreligion in ihrer Echtheit, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 7 fl. 12 kr. oder 4 Thlr.) — 5) La nouvelle Jerusalem par Richer 8 vols (Pr. 27 fl. 12 kr.)
C. Für Exegese.
1) Ueber des weiße Pferd in der Offenbarung, nach Swedenborg von Hofaker (Pr. 20 kr. od. 5 gr.) — 2) Die enthüllte Offenbarung Johannis, nach Swedenborg von Tafel (Pr. 10 fl. 48 kr. od. 6 Thaler 6 gr.) — 3) Swedenborg, Arcana coelestia, quae in Verbo Domini sunt detecte. Ed. Tafel. Tom, I. II. III. & IV. (Pr. 14 fl. 24 kr. oder 8 Thlr. 8 gr.)
Tübingen, im Aprill 1837
Buchhandlung Zu Guttenberg.
Buchhandlung: F.
Varrentrapp
. — Herausgeber: Dr. J. V.
Hoeninghaus
. — Druckerei:
Heller
und
Rohm
. Maschinendruck.